Das Faszinierende, aber auch das Bestürzende an einer Diskussion mit Jean Ziegler, wie ich sie am Mittwoch im Club 2 genossen habe, und vor allen an den Reaktionen aus dem linksintellektuellen Umfeld ist der quasi-religiöse Eifer, mit dem diese Kritiker an Fragen der Weltwirtschaft und der Globalisierung herangehen.
Wir wissen alle, dass der Kapitalismus kein Allheilmittel ist, dass er in manchen Ländern (auch im Süden) viel Wohlstand gebracht hat und anderswo versagt. Aber kein Land und keine Region hat bisher ohne Marktwirtschaft nachhaltigen Wohlstand geschaffen. Wer die Marktwirtschaft als grundlegend böse ablehnt, der muss Alternativmodelle vorlegen, die mehr sind als abgehobene Sozialromantik.
Und zu sagen, die Globalisierung ist am Elend in Ländern schuld, die von der Globalisierung links liegen gelassen werden, ist genauso sinnvoll, wie wenn man das Phänomen der Elektrizität für einen Stromausfall verantwortlich macht.
Wer den Hunger und Armut in der Welt bekämpfen will, muss sich ganz konkret mit Entwicklungsmodellen und den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Voraussetzungen für Wachstum und Entwicklung auseinandersetzen. Was funktioniert und was nicht? Was muss im Land selbst geschehen, damit es der Armutsfalle entkommen kann? Was kann die Weltgemeinschaft dazu beitragen?
Eine der klügsten Bücher über Strategien für Afrika hat zuletzt Paul Collier von der Oxford University geschrieben „The Bottom Billion“ („Die unterste Milliarde“), den auch Ziegler in seinem Buch einmal zitiert. Aber Collier ist ein Anti-Ziegler: Objektiv und nüchtern geht er an die Probleme heran und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf, die mehr sind als ein sinnloser Ruf nach der Weltrevolution.
Aber die Riege der Globalisierungsgegner versucht all diese konstruktiven Diskussionsbeiträge einfach mit Beschuldigungen, hasserfüllter Rhetorik wie „kannibalistische Weltordnung“, undifferenzierter Schwarz-Weiß-Malerei und schon peinlich platten Phrasen niederzuschreien. Ihre Diskussionsbeiträge bestehen darin, dass sie ihrer Empörung Luft machen. Wer dagegenhält, wird als Knecht des Kapitalismus verunglimpft.
Vielen von diesen Aktivisten – und dazu zählt auch Ziegler – geht es viel mehr um die eigene Befindlichkeit als um das Schicksal von Milliarden Menschen, die von einem besseren Leben träumen. Das ist nicht nur schade, das ist beschämend.