St. Pölten - Verschwimmende Grenzen, sich auflösende Traditionen: Auf Gemeinde- und regionaler Ebene betrachtet, zeigen sich am Ergebnis der niederösterreichischen Landtagswahlen (VP: 53,26 Prozent, SP: 33,63 Prozent, Grüne: 7,16 Prozent, FP: 4,50 Prozent) zusätzliche Facetten.

Da freut sich VP-Landesgeschäftsführerin Johanna Mikl-Leitner über "das massive Punkten der Volkspartei im städtischen Raum". Und nennt vor allem Wien-nahe Orte wie Klosterneuburg, wo die VP um 9,7 Prozentpunkte auf 55,55 Prozent zulegte, und das bürgerliche Baden (plus 8,51 Prozentpunkte, insgesamt 54,43 Prozent).

Doch auch in den "roten Hochburgen", den großen niederösterreichischen Städten Wiener Neustadt und St. Pölten, habe die VP "stark zugelegt". Im der seit 1945 absolut rot regierten Landeshauptstadt St. Pölten etwa um 6,83 Prozentpunkte auf 36,85 Prozent - im lokalen Parteienvergleich die höchste Steigerung überhaupt.

Nicht nur in den traditionell "schwarzen" ländlichen Gebieten, auch in den Städten sei Erwin Pröll eben dick da, interpretiert Mikl-Leitner dies. Es gebe außerhalb Wiens eben "keinen zweiten Landeshauptmann, der im städtischen Raum so gut ankommt wie er".

Im Rathaus des ebenfalls seit Weltkriegsende roten Wiener Neustadt will man diese Sicht der Dinge nicht gelten lassen. "Ganz gegen den Trend" zur VP-Absoluten habe die SP noch 6,58 Prozentpunkte auf 49,98 Prozent zulegen können. Die VP (8,32 Prozentpunkte plus, insgesamt 35,67 Prozent) befinde sich weiterhin auf Platz zwei.

Überhaupt tut man sich bei der SP am Tag danach schwer, eine "eindeutige Tendenz" bei den Wählerentscheidungen zu erkennen. Der "Grundtenor" laute, dass "dort gute Ergebnisse erzielt wurden, wo die Ortsgruppen funktionieren", meint Landesgeschäftsführerin Karin Kadenbach.

"Verwirrung" bei SP

Das sei "auch in ländlichen Orten" der Fall gewesen. Zum Beispiel in Kadenbachs Heimatgemeinde Großmugl, wo die SP 10,38 Prozentpunkte zulegte und jetzt bei 20,70 Prozent der Stimmen hält. Weit hinter der Volkspartei, die 71,85 Prozent einfuhr. Als Konsequenz aus der "verwirrenden Lage" seien die Bezirksorganisationen am Montag aufgefordert worden, "die Arbeit in den Gemeinden zu evaluieren". Wobei Kadenbach überzeugt davon ist, "dass auch das neue Wahlrecht Wirkung hatte. Unsere lokalen Kandidaten haben sich bemüht und massiv um Vorzugsstimmen geworben."

Mit einem VP-Umkehreffekt sehen sich indes die Grünen konfrontiert. Laut Landesgeschäftsführer Thomas Huber ist es ihnen nämlich erstmals gelungen, "auch in ländliche Gebiete vorzudringen". Zum Beispiel nach Zwettl, wo die Grünen um 2,66 Prozentpunkte zulegten und jetzt 7,99 Prozent innehaben.

Hier - so Landeschefin Madeleine Petrovic - machten sich "konsequente Aufbauarbeit und eigene grüne Projekte" bezahlt. Ein Prinzip, das sich auch in den Gemeinden "entlang der Transitrouten" zeige - etwa im Weinviertel entlang der geplanten Nordautobahn. Während die Grünen im "Speckgürtel" um Wien auf teils Wien-ähnliche Ergebnisse kamen: etwa in Purkersdorf, wo sie um 8,90 Prozentpunkte zulegten und jetzt bei 19,47 Prozent halten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.4.2003)