Wien/Innsbruck - Streit unter den EU-Mitgliedsstaaten über das freie Entsenden von Arbeitskräften zur Dienstleistungserbringung verzögert den Verhandlungsstart beim umstrittenen Gats-Abkommen ("General Agreement on Trade in Services"). Bis gestern, Montag, hätten die 145 Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation (WTO) ihre Angebotslisten fertigstellen sollen. Auf Basis dieser Angebote sollten weltweite Marktöffnungen bei Dienstleistungen verhandelt werden. Mindestens bis zur nächsten Sitzung der EU-Außenhandelsgeneraldirektoren in Brüssel am 11. April geht das Tauziehen also munter weiter.

Die eine Fraktion rund um Handelskommissar Pascal Lamy will spezielle Quotenregelungen für Dienstleistungerbringer aus Nicht-EU-Staaten durchsetzen. Die andere Fraktion, zu der auch Österreich zählt, plädiert auf Ausnahmen für einzelne Branchen, wie etwa Baudienstleistungen.

Hintergrund ist, dass die EU ihren WTO-Partnern zwar die Marktöffnung in Bereichen anbieten wird, wo der Binnenmarkt schon weitestgehend liberalisiert ist (wie Telekom, Post, Transport). Gleichzeitig soll jedoch mit Rücksicht auf den angespannten EU-Arbeitsmarkt der freie Zuzug von Architekten, Software-Ingenieuren, Anwälten und Finanzspezialisten aus aller Welt beschränkt bleiben.

Appell an Regierung

Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKÖ) fordert unterdessen, von weiteren Liberalisierungen öffentlicher Dienstleistungen wie Wasser, Abwasser, Müllentsorgung Abstand zu nehmen. In einem Appell an die Bundesregierung wird auf die Rolle der Universaldienstleister in den Gemeinden hingewiesen. Das Angebot sei das "Rückgrat der wirtschaftlichen Gemeindeautonomie". VKÖ-Präsident Bruno Wallnöfer, Chef der Innsbrucker Kommunalbetriebe, sagte, mit dem Begriff Liberalisierung werde "semantischer Betrug" begangen, da dieses Konzept immer mit Privatisierung verbunden sei. (Michael Bachner/Hannes Schlosser/DER STANDARD, Printausgabe, 1.4.2003)