Die meisten Journalisten und Medienunternehmen verstoßen mit der Anfertigung und Verbreitung von Bildern von Kriegsgefangenen keineswegs gegen Kriegsvölkerrecht, erläuterte der Linzer Völkerrechtsexperte Manfred Rotter im pte-Gespräch.

Rotter betonte, dass er keine konkreten Bilder beurteilen wolle. "Ich kenne im Grunde genommen gar keine Fotos", so der Professor. Allgemein bemerkte Rotter jedoch zum Sachverhalt: "Das Kriegsvölkerrecht hat zwei Dimensionen. Einerseits trifft es den Staat, andererseits jene, die der 'bewaffneten Macht' (in etwa: Militär) angehören. Diese Einzelnen haften neben dem Staat für ihre Untaten."

Weder Militär noch Staat

Medien hingegen seien weder Militär noch Staat und würden daher völkerrechtlich nicht erfasst – außer, es handle sich um ein reines Staatsmedium. Ebenfalls erfasst würden Medien, die zwar privatrechtlich organisiert, aber eindeutig in einem engen Naheverhältnis mit einer staatlichen Macht stehen. Auf öffentlich-rechtliche Anstalten wie den ORF treffe dies jedoch keineswegs zu. Weiters könnten im Falle einer Genehmigungs-Zensur, bei der vielleicht sogar Inhalte diktiert würden, Veröffentlichungen der davon betroffenen Medien das Völkerrecht verletzen.

Auf die im Zentrum der Diskussion stehenden Kriegsgefangenen wird im Artikel 13 der Genfer Konvention eingegangen. Demnach ist der Gewahrsamsstaat, abgesehen von der (detailliert geregelten) Daseinsvorsorge, dazu verpflichtet, die Antastung der Menschenwürde oder Herabwürdigung von Kriegsgefangenen zu verhindern.

"Keine Verletzung dieser Pflichten"

"Die schlichte Berichterstattung, dass Gefangene genommen wurden, allenfalls auch eine 'normale bildliche Darstellung' ist für sich allein genommen noch keine Verletzung dieser Pflichten", so Rotter. Für darüber hinaus gehende Bilder hafte zwar eventuell der Staat und die einzelnen in seinem Auftrag wirkenden Bewacher, da die Gefangenen nicht entsprechend vor den Aufnahmen geschützt wurden.

"Für Journalisten, Fotografen und Medienunternehmen, sofern sie nicht im Auftrag eines Staates tätig sind oder einer bewaffneten Macht angehören, greifen nur jene Rechtsordnungen, denen sie selbst verpflichtet sind, sowie ein allenfalls anwendbarer Kodex, beispielsweise einer Selbstkontroll-Organisation", erklärte Völkerrechtler Rotter. Neben der Rechtsordnung des Herkunftslandes komme noch die Rechtsordnung des jeweiligen Aufenthaltslandes des Journalisten in Betracht. Auch der Sitz des arbeitgebenden Medienunternehmens komme in Frage.

Der von verschiedenen Seiten erhobene Vorwurf an Medienvertreter und -unternehmen, sie würden gegen die Genfer Konvention verstoßen, entbehrt folglich einer juristischen Grundlage. Wer moralische Vorbehalte gegen Berichterstattung über tatsächliche Geschehnisse hat, muss dies also entsprechend deklarieren. Auf das Völkerrecht kann er oder sie sich nicht berufen. (pte)