Eine aufwändige Recherche stand am Beginn einer wunderbaren Edition, die nun fertiggestellt und im Hörverlag erschienen ist: Die Bibliothek der Poeten - Lyrikstimmen versammelt 122 deutschsprachige Autorinnen und Autoren im Originalton. Das allein wäre schon äußerst hörenswert, doch in der Edition klingen zusätzlich ausgesprochene Raritäten an, etwa eine Aufnahme aus dem Jahr 1907, in der Hugo von Hofmannsthal zu hören ist.
Die Herausgeber Michael Krüger, Christiane Collorio, Peter Hamm und Harald Hartung hörten sich weltweit fünf Jahre lang durch unzählige Tondokumente aus den vergangenen hundert Jahren. Sie recherchierten bei Autoren, deren Anverwandten und Freunden, stöberten in Nachlässen und Rundfunkarchiven, durchkämmten Antiquariate und Stiftungen und fassten diese gewaltige Arbeit in eine neun CDs starke, 638 Minuten Laufzeit währende Lyriksammlung zusammen, vorgetragen von den Autoren selbst. Sie fanden beispielsweise eine Autorenlesung von Friedrich Achleitner auf einer Pappplatte mit Wachsbeschichtung konserviert. Sie trieben eine vergessene Schallplatte von Anton Wildgans auf, von dem scheinbar kein Originalton überliefert war.
Sie hoben in den unergründlichen Tiefen des ORF-Archivs einen Schatz mit vergessenen Aufnahmen von Thomas Bernhard, der zwei bisher unveröffentlichte Texte vorträgt. Für die Zuhörerschaft ist diese Edition nicht zuletzt auch eine Zeitreise durch hundert Jahre Lyrikvortrag. Empfehlenswert. (Ute Woltron, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 28./29.11.2009)