Die vor New Jersey eingesetzte Bohrplattform "KAYD"

Foto: E. Gillespie, IODP

Bremen - Wie stark sich Küstenverläufe in geologisch gesehen relativ kurzer Zeit verändern können, zeigt eine Expedition des Integrierten Ozean-Bohrprogramms (IODP), die im Sommer in den flachen Gewässern vor der Küste des US-Bundesstaats New Jersey durchgeführt wurde. Im Rahmen dieser "New Jersey Shallow Shelf Expedition" wurden mehr als 1,3 Kilometer Sedimentkerne gewonnen, die seit November in Bremen von einem internationalen Wissenschafter-Team analysiert werden.

"Während der Expedition haben wir eine nahezu vollständige Abfolge von Meeresablagerungen erbohrt, die den Zeitraum von 14 bis 35 Millionen Jahre vor heute abdecken", sagt Gregory Mountain, Geowissenschaftler an der Rutgers-Universität New Jersey und einer der beiden wissenschaftlichen Expeditionsleiter. "Alles in allem haben wir an drei Bohrlokationen, die sich 45 bis 65 Kilometer vor der Küste New Jerseys befanden, 1.311,4 Meter Sedimentkerne gewonnen. Dabei reichte das längste Bohrloch mehr als 756 Meter tief."

Starke Schwankungen

Mit Hilfe der erbohrten Meeresablagerungen können die Forscher herausfinden, wann bzw. wie stark und wie schnell der Meeresspiegel fiel und wieder anstieg - für einen Zeitraum, in dem der antarktische Eisschild anwuchs und wieder abschmolz. Die Untersuchungen in den Bremer Labors ergaben, dass die Sedimentkerne auch Überreste ehemaliger Sandstrände und kontinentaler Böden enthalten. Aus diesen und anderen Indizien leiten die Forscher ab, dass der Meeresspiegel im besagten Zeitraum um bis zu einhundert Meter schwankte. Insgesamt konnten für die Zeit zwischen 14 bis 35 Millionen Jahren vor heute zehn Zyklen identifiziert werden, in denen der Meeresspiegel zunächst anstieg, bevor er wieder abfiel - mit dem Ergebnis, dass die Küstenlinie New Jerseys sich drastisch seewärts verlagerte.

"Zu unserer großen Überraschung sind wir an allen drei Bohrstellen auf Süßwasserlinsen gestoßen, die sich bis zu 400 Meter unterhalb des Meeresbodens befinden", sagt Expeditionsleiter Dr. Jean-Noël Proust von der französischen Universität Rennes. Das Süßwasser sammelt sich in mikroskopisch kleinen Poren zwischen den Ton- und Sandpartikeln. "Es überrascht uns schon, dass diese Linsen mehr als 100 Meter mächtig sind. Wir nehmen an, dass die Linsen, die heute 50 Kilometer vor der Küste liegen, während der letzten Eiszeit vor mehr als 12.000 Jahren entstanden sind, als der Meeresspiegel abgesunken war und die Küstenlinie New Jerseys zeitweise seewärts unserer Bohrlokationen verlief."

Die Küstengewässer des US-Bundesstaats eignen sich besonders gut für die Erforschung von Meeresspiegelschwankungen. Zwei große Flüsse sorgten in der Vergangenheit dafür, dass viel Sediment von Land in den Ozean gespült wurde, das gleichsam als geologisches Archiv genutzt werden. Zudem ist die Region tektonisch stabil: die Eigenbewegungen der Nordamerikanischen Erdplatte beeinflusst die Schwankungen des Meeresspiegels kaum.  (red)