Flohmarkt in der Bahnhofshalle: Ein Gutteil kommt wegen bestimmter Sammlerstücke, andere wollen nur schauen.

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Für den guten Zweck kann man dort Schilder, Kartenzwicker und Trillerpfeifen kaufen.

Wien – "Ein Haufen Securities, aber keine Ware!" , ruft eine rundliche Frau mit grauer Föhnwelle. Auch der Mann mit dem bunten Strickhauberl neben ihr wird langsam unruhig. "Typisch Bundesbahnen! Die können einfach nix gscheit organisieren!"

Als am Freitag zum Start des Flohmarkts um Punkt 12 Uhr in der Halle des Wiener Südbahnhofs noch nicht alle Verkaufstische voll beladen sind, werden die Wartenden prompt ungemütlich. Man steht schließlich nicht zum Spaß im zugigen Bahnhof herum, sondern will ein paar ansehnliche Dinge zu einem passablen Preis mit nach Hause nehmen.

Die ÖBB ließen in den letzten Jahren regelmäßig in Wartebereichen und Zügen Liegengebliebenes am Südbahnhof verkaufen.Der Flohmarkt, der noch am Samstag, von 10 bis 18 Uhr offen hat, umfasst aber nicht nur herrenlose Fahrradhelme, Bücher, Spielzeugautos und Campingausrüstungen. Weil der Südbahnhof bald abgerissen wird, wurden auch sämtliche Kammerln im Bahnhofsbau ausgeräumt – und zum Teil echte Sammlerstücke zu Tage gefördert. Schaffnertaschen aus schwarzem Leder zum Beispiel, alte Streckentaferln und Fahrkartenzwicker.

Am Tag eins des letzten Ausverkaufs am Südbahnhof karrt eine Reihe von "Mungos" – das sind Mitarbeiter der ÖBB-Tochter "Mungos Sicher & Sauber GmbH" und für Reinigung und Security zuständig – hektisch Ware in Einkaufswagerln an, um sie auf der langen Verkaufsfläche mit den weißen Tischtüchern abzuladen. Um überhaupt zu sehen, was es alles gibt, muss sich der Kaufwillige erst durch eine Menschenmenge arbeiten. Einige fahren mit der Rolltreppe einen Stock rauf und quetschen ihre Nasen an die Glasscheibe des Warteraums, von dem man einen guten Blick auf den Verkaufsbereich darunter hat.

"Das ist doch ein Schmafu" , sagt ein älterer Mann im Anorak, sein Becher Tee, aus dem alkoholgeschwängerte Dämpfe aufsteigen, gerät dabei gefährlich in Schieflage, "warum macht man da nicht einzelne große Tische, wo die Leute viel besser dazukommen?"

130-Euro-Laterne von 1941

Aber nicht alle finden den Flohmarkt zum Motschgern. Ein Mann mit Oberlippenbart und Brille zum Beispiel schaut sehr zufrieden drein. Er hat gerade eine alte Schaffner-Laterne erstanden – um 130 Euro. "Das ist das Eisenbahnvirus" , sagt er, "mein Vater und mein Großvater hatten es auch schon." Das Stück von 1941 komme in den Keller. "Dort steht auch meine Eisenbahn und die ganzen anderen Sachen." Viel Zeit hat er nicht zum Plaudern, er will noch ein paar Taferln und einen aus einem Raucherabteil abmontierten Aschenbecher kaufen.

Die Preise für die alten ÖBB-Stücke sind zum Teil recht gesalzen. Ein Blechschild kommt auf 50, eins aus Karton auf 20 Euro. Für eine Ledertasche legt man 100 Euro ab, vergleichsweise günstig sind nur die alten Schaffnertrillerpfeifen mit fünf Euro pro Stück. Aber immerhin unterstützt man mit dem Kauf ein Sozialprojekt: Den Reinerlös stellen die ÖBBden Kinderkrankenpflegevereinen Moki und Netz zu Verfügung. Neben dem Flohmarkt gibt's bei der letzten großen Veranstaltung am Südbahnhof auch eine Tombola, ein Ständchen der Eisenbahner Blasmusik und Rundfahrten mit einem Oldtimerbus.

Endgültig Schluss ist mit der Verkehrsstation am Wiedner Gürtel am 13. Dezember. Dann übernimmt der Bahnhof Meidling die Funktion des Südbahnhofs, für die Ostbahn wird beim Schweizer Garten ein Provisorium errichtet.

Der neue Hauptbahnhof soll 2012 in Teil- und 2014 in Vollbetrieb gehen. Das Fundbüro, das bisher im Südbahnhof untergebracht war, übersiedelt übrigens so lange in den Franz-Josefs-Bahnhof am Julius-Tandler-Platz. (Martina Stemmer, DER STANDARD – Printausgabe, 28./29. November 2009)