Informatiker an der University of Maryland sind vom Wert modernster Simulationsmethoden in Kombination mit den grafischen Möglichkeiten virtueller Welten als Werkzeug für Militäranalytiker überzeugt. Solch ein System könne helfen, die Auswirkungen verschiedener Entscheidungen auf die Lage in Krisenregionen auch mit komplexer Ausgangslage vorherzusagen, so die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des Magazins Science.

Ein wesentlicher Teil der nötigen Theorie und Software, um beispielsweise ein virtuelles Afghanistan oder Pakistan für Analyse-Aufgaben zu realisieren, existiere bereits. "Menschliche Analysten mit realweltlichem Wissen und Erfahrung werden auf dem Rest des Weges zu solchen digitalen Welten wesentliche Partner sein", so V. S. Subrahmanian, Informatikprofessor und Leiter des Institute for Advanced Computer Studies an der University of Maryland.

Komplexere Konfliktsituationen

Zwar kommen seit den 1950ern Computermodelle in der militärischen Analyse zum Einsatz, welche Aspekte der Spieltheorie nutzen. Doch meist waren diese auf zwei Konfliktparteien und klare Sieg-Niederlage-Bedingungen beschränkt, erklären Subrahmanian und sein Kollege John Dickerson. Doch heute gibt es oft viele verfeindete Gruppen in einer Region und die Entscheidungsoptionen sind nicht nur militärischer Natur. Beispielsweise müssten Analysten in Afghanistan auch abschätzen, wie sich etwa der Bau von Schulen auf das Verhältnis der ethnischen Gruppen auswirkt.

Sichtbare Auswirkungen

Virtuelle Welten versprechen den Wissenschaftlern zufolge die Möglichkeit, dass die Auswirkungen der von ihnen vorgeschlagenen Vorgehensweisen nicht nur für die Militäranalysten selbst sicht bar wird. "Sie können eine Strategie vorschlagen und skeptische Befehlshaber durch eine virtuelle Welt führen, wo der Kommandant wirklich 'sehen' kann, wie sich die Entscheidung auswirken könnte", so die Forscher. Damit würde der Befehlshaber die wahrscheinlichen Vor- und Nachteile einer Entscheidung erleben.

Moderne Simulationsmethoden

Die Wissenschaftler an der University of Maryland haben ihren Angaben zufolge eine Reihe an Bausteinen für entsprechend fortschrittliche virtuelle Welten entwickelt. Dazu zählen so genannte "Stochastic Opponent Modeling Agents". Das ist KI-Software, die das frühere Verhalten von Gruppen berücksichtigt, um deren Reaktion auf verschiedene Ereignisse abzuschätzen. Charaktere in "kulturellen Inseln" virtueller Welten sollen jeweils passenden Verhaltensmodellen folgen, während spezielle Engines dazu gedacht sind, aufgrund historischer Daten Änderungen im Verhalten einzelner Gruppen vorherzusagen.

"Die im Artikel beschriebenen Ergebnisse sind meiner Ansicht nach sehr beeindruckend", kommentiert William Scanlon, Professor für drahtlose Kommunikation an der der Queen's University in Belfast, auf Nachfrage von pressetext. Er nutzt virtuelle Welten in der Entwicklung militärischer Kommunikationslösungen.

Scanlon hält es für glaubwürdig, dass die US-Forscher die wesentlichen Bausteine für das vorgeschlagene Simulationswerkzeug haben. "Ich würde annehmen, dass eine Reduktion von Komplexität und Ressourcenbedarf der Simulation selbst und der Setup-Entscheidungen die größte Herausforderung sein wird", meint der Wissenschaftler.(pte)