Die Börse Warschau soll nach dem Wunsch der polnischen Regierung zum führenden Finanzplatz Osteuropas werden. An dem Marktplatz, der bei Marktkapitalisierung und der Liquidität die Wiener Börse schon überholt hat, hält der Staat noch 99 Prozent.

Seit rund einem Jahr gibt es verstärkte Bemühungen, die Börse mehrheitlich zu privatisieren. Alles schien glatt zu gehen - doch jetzt heißt es: zurück an den Start.

Deutsche boten verbindlich

Vorerst sollten zwischen 51 und 73,8 Prozent verkaufen, in einem zweiten Schritt in wenigen Jahren dann auch die restlichen Anteile. Die Deutsche Börse war letztlich - wie berichtet - der einzige Interessent für den Mehrheitsanteil. Die Frankfurter wollten sich mit Warschau ein Standbein in Osteuropa schaffen.

Vor wenigen Wochen gaben die Deutschen eine verbindliche Offerte ab - ein Schritt, auf den die weiteren drei von Polen eingeladenen Börsen, nämlich London Stock Exchange, Nasdaq OMX und NYSE Euronext, verzichtet hatten. Die Wiener Börse, die sich auch intensiv um Warschau bemüht hatte, wurde zur sogenannten "Due Diligence" gar nicht erst zugelassen, weil sie Hauptkonkurrentin der Warschauer Börse in Mittel- und Osteuropa ist.

Anpassung abgelehnt

Das deutsche Angebot war der polnischen Regierung Medienberichten zufolge allerdings nicht hoch genug: Sie forderte Nachbesserung. Polnische Regierungsmitglieder bezifferten den Wert des Warschauer Handelsplatzes auf mehr als eine Millilarde Euro.

Reto Francioni, Vorstandschef der Deutschen Börse, lehnte dies entschieden ab: Man halte das - nicht bezifferte - Angebot für fair und denke gar nicht daran, zu erhöhen. "Wir haben unser Angebot für die Warschauer Börse abgegeben und halten es für fair. Wir sehen im Moment keine Notwendigkeit, unser Angebot anzupassen", betonte zuletzt auch Frank Gerstenschläger, Vorstand des Kassamarktgeschäfts bei der Deutschen Börse.

Neue Strategie

Die Regierung bekam damit in ihren Privatisierungsbemühungen einen Dämpfer und arbeitet nun an einer neuen Strategie, erklärte die Vize-Ministerin im Schatzressort, Joanna Schmid, am Montag gegenüber der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Diese bestehe darin, "die Börse selbst an die Börse zu bringen", so Schmid.

Schon am vergangenen Freitag hatte die Zeitung "Rzeczpospolita" unter Berufung auf Quellen im Schatzministerium berichtet, die Regierung plane nun eine Privatisierung der GPW über die Börse. Nach Informationen der Zeitung könnten dabei 15 Prozent für Privatanleger reserviert werden, 30 Prozent könnten Investmentfonds erhalten und weitere 30 Prozent an der Börse notierte Unternehmen. (red/Reuters)