Die ersten Kommentare in Österreich zum Minarettverbot weckten meine Verwunderung. Ein "Verstoß gegen die Menschenrechte" wäre ein solches Verbot. "Überflüssig" wurde es andernorts genannt. Es sollte Europa "aufwecken" . Alles richtig. Dabei wurde ein Akzent auf das unverständliche Verhalten des Stimmvolkes und der Macht der Rechtspopulisten gelegt. Aber liegt der Kern der Problematik nicht ganz woanders?

Es verwundert, dass eine solche Einstellung der Schweizer Stimmbürger als absonderlich eingestuft wird. In Deutschland assoziierten im Rahmen einer Allensbach-Umfrage 93 Prozent der Befragten die Religion des Islams mit der Unterdrückung der Frau. Islamophobie ist heute aber weder ausschließlich ein Phänomen der Unterschicht, noch stellt sie eine Ausnahme innerhalb der politischen Elite dar. Das Problem, das hier kaum beim Namen genannt wird, ist, dass Islamophobie heute mehrheitsfähig geworden ist. Schulbücher transportieren ein negatives Islambild. Medial wird der Islam beinahe ausschließlich als Bedrohung wahrgenommen. Und die Politik rechtspopulistischer Parteien hat sich quer über Westeuropa seit beinahe einem Jahrzehnt (in manchen Ländern weniger lang) auf den Islam als neues Feindbild eingeschworen. Und die Parteien der Mitte ziehen nach.

Um hier nicht nur über die "bösen" Schweizer zu sprechen: Kehren wir doch vor der eigenen Haustüre, bevor wir auf die da auf der anderen Seite des Bodensees zeigen. Denn während sich in der Schweiz ein großer Block von Parteien, Kirchen und Teilen der Zivilgesellschaft gegen das Minarettverbot positionierte, wäre bei uns in Österreich eine so geschlossene Front überhaupt nicht denkbar.

Tatsächlich wurde Österreich das erste Land, wo ein solches Verbot umgesetzt wurde. Während ein Entschließungsantrag der FPÖ im ersten Halbjahr 2007 im Nationalrat noch abgeschmettert wurde, nutzte der Kärntner Landeshauptmann die Chance, ein Moscheen- und Minarettverbot zu lancieren. Ein solches ließ sich aber nicht mithilfe der Stimmen seiner eigenen Partei alleine durchsetzen. So stimmte die ÖVP Kärnten mit.

Was hier aber noch weitaus bedenklicher stimmt, ist die Tatsache, dass eine Partei der "Mitte" in einem anderen Bundesland dieses Gesetz noch ein halbes Jahr früher beschloss. Während in Kärnten das Gesetz am 18. Dezember 2008 umgesetzt wurde, wurde in Vorarlberg unter einer ÖVP-Mehrheit am 20. Juni 2008 das erste Moscheen- und Minarettbauverbot in Europa abgesegnet. All diese Gesetze wurden nach österreichischer Manier selbstverständlich weniger klar und direkt als in der Schweiz formuliert (Änderung des Ortsbildpflegegesetzes und des Bau- und Raumordnungsgesetzes). Es zeigt sich, dass auch hierzulande von Teilen der politischen Elite der "Mitte" ein solches Verbot unterstützt wird. Ein Konsens der Parteien, Kirchen und der Zivilgesellschaft gegen ein Verbot wie in der Schweiz findet sich nicht. Im Gegenteil unterstützte der Feldkircher Diözesanbischof dazumal ein solches Moscheen- und Minarettbauverbot. Selbst von Mitgliedern der Bundesregierung wurden passende Argumente laut.

Ein wiederkehrendes Argument, das nicht mehr ausschließlich im rechts-rechten Parteienspektrum zu finden ist, ist jenes der Reziprozität. Wenn christliche Gemeinschaften kein Anrecht auf Kirchenbauten in muslimischen Ländern haben, warum den Muslimen in Österreich ein Recht auf Moscheenbauten geben? Diese Argumentation krankt an vielen Stellen. Erstens homogenisiert sie die unterschiedlichsten muslimischen Länder, die unterschiedliche politische Systeme und Verfassungen haben und eine dementsprechend unterschiedliche Handhabe mit öffentlicher Religionsausübung aufweisen. Zweitens versucht sie den Umgang mit der muslimischen Bevölkerung Österreichs an einem nichtdemokratischen Maßstab zu messen.

Schlechtere Österreicher?

Die Argumentation impliziert weiters eine Zweiklassengesellschaft, die entlang des Religionsbekenntnisses geteilt wird: Muslime seien keine Österreicher, weswegen auch nicht das österreichische Recht anzuwenden sei. Da derartige Argumente von kirchlichen wie auch politischen Führungskräften verbreitet werden, ist es auch nicht verwunderlich, warum islamophobe Einstellungen breite Zustimmung finden können.

Hinzu kommt, dass die politische Elite konsequent die Gefahren der Islamophobie leugnet. Als im Frühjahr die Schmierereien an den Mauthausener Mauern kritisiert wurden, sprach das Establishment von Rassismus und Antisemitismus - keine Rede von Islamfeindlichkeit. Solange die Islamophobie unter den Teppich gekehrt wird und zur Unterwanderung von Grundrechten und Mobilisierung von Wählerstimmen benützt wird, brauchen wir uns nicht wundern. (DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2009)