Nach der Abstimmung in der Schweiz wächst im Einwanderungsland Frankreich die Angst vor einer neuen Islamdebatte. Dabei gießt die Regierung von Nicolas Sarkozy selbst Öl ins Feuer.

Der französische Außenminister Bernard Kouchner zeigte sich zwar empört, er hoffe, dass das Minarettbauverbot in der Schweiz bald wieder umgestoßen werde. Es handle sich um einen Ausdruck von Intoleranz, sagte Kouchner am Montag im französischen Radiosender RTL. Das Nein zum Bau von Minaretten komme der Unterdrückung einer Religion gleich. Doch Präsident Nicolas Sarkozy hatte vor ein paar Wochen eine Debatte über die "nationale Identität" lanciert, mit der er vor den Regionalwahlen im Frühling 2010 eindeutig Punkte in der rechten Wählerschaft machen will. Nicht zufällig lässt er die Debatte von seinem Immigrationsminister Eric Besson anführen. Im Fernsehen oder im Internet reduziert sich die Frage, was denn "französisch" sei, zum Schluss meist auf die Debatte um die Integration des Islam.

Die französische Rechtsextremistin Marine Le Pen forderte am Montag jedenfalls bereits ein "Referendum" über den Bau von Moscheen in französischen Großstädten wie Straßburg oder Marseille.

Ein solches Ansinnen hat zwar politisch keine Chance. In einem Land, das Gebäude wie den Eiffelturm oder das futuristische Centre Pompidou ohne jede Volksbefragung errichtete, gaben Minarette bisher nie Anlass zu größeren Diskussionen. Der höchste islamische Gebetsturm Frankreichs fügt sich gut in das Pariser Quartier Latin ein und wirkt trotz seiner 32 Meter Höhe eher unauffällig. Doch in einer - nicht repräsentativen - Internetumfrage der konservativen Zeitung Le Figaro sprachen sich 70 Prozent gegen den Bau der Moschee in Marseille aus. Nach der Schweizer Abstimmung fragte die katholische Zeitung La Croix in Paris besorgt: "Würde eine solche Volksabstimmung in anderen europäischen Ländern nicht ganz ähnliche Resultate ergeben?"  (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2009)