Kannonier: Linz 09 war irgendwie beliebig.

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Das Ritual der Erfolgsmeldungen über das europäische Kulturhauptstadtjahr Linz 09 ist wenige Wochen vor seinem Ende bereits voll im Gange. Eben erschien ein opulenter Band mit bunten, guten Bildern und einigen stolzen Worten - eine Hommage der Intendanz an sich selbst und an Linz. Martin Heller versteht nicht ganz, warum ihm bei einer solch grandiosen Bilanz die Herzen aller nicht von selbst zufliegen.

Nun, selbstverständlich war Linz 09 ein Erfolg. Alles andere wäre ja bei den gegebenen budgetären und kulturpolitischen Voraussetzungen ein besonderes Kunststück gewesen (die Kulturhauptstadt Ruhr 2010 muss mit demselben Budget einen extrem heterogenen Raum von 5,2 Mio. Einwohnern bespielen). Ein Erfolg jedenfalls für die Politik, die sich über ihn legitimiert, für den Tourismus (mit einem beachtlichen Nächtigungszuwachs von plus elf Prozent) und für ein besseres Dienstleistungsbewusstsein, für das Selbstwertgefühl der Stadt, für die Popularisierung von Kultur, für etliche schöne Projekte und auch für die lokale Medienlandschaft, die sich nach anfänglicher Skepsis vom Saulus zum Paulus gewandelt hat.

Überwiegend positiv sind sicher die höchstdotierten Sparten Musik und Theater, die ambitionierten Schulprojekte und, etwas ambivalenter, das Ausstellungsprogramm zu sehen. Dass Linz im Zuge von 09 eine wirklich nachhaltige neue Infrastruktur bekam (AEC, Südflügel des Schlosses, Salzamt ...), hatte mit der Programmgestaltung nichts zu tun.

Diese allerdings wurde, auch rückwirkend betrachtet, weder inhaltlich noch organisatorisch sehr professionell abgewickelt. Eine spezifische Handschrift war nur in den Spartenleitungen (Peter Androsch, Airan Berg) auszumachen, nicht aber in der Gesamtschau der Intendanz. Die Allerweltsformel "Industrie, Kultur, Natur" und Hubert von Goiserns "Linz Europa Tour" stehen beispielhaft für eine gewisse Beliebigkeit im Umgang mit künstlerischen wie auch den so wichtigen symbolischen Akzenten. Eigene potenzielle Leitprojekte wurden entweder in den Sand gesetzt (Der Heilige Berg) oder mangels Interesses an schwierigerer, tiefergehender Kommunikation ("Ausnahmezustand" der Kunst-Universität) vergeigt.

Womit wir bei einem weiteren Schwachpunkt wären: Trotz eindringlicher Mahnungen vor den Erfahrungen im Umgang mit den künstlerischen Szenen vor Ort in etlichen Kulturhauptstädten davor war die Kommunikation mit den Projekteinreichungen von der Abwicklung her mangelhaft (viel zu späte Entscheidungen, viel zu wenig inhaltliche Auseinandersetzung - beides Ausdruck einer fehlenden Gesamtlinie) und wurde als arrogant empfunden. Die Vereinnahmung von ohnehin vorhandenen Formaten wie Ars Electronica, Schäxpir, Pflasterspektakel, Crossing Europe usw. sowie von abgelehnten Projektideen tat ein Übriges, um dem ersehnten Zufliegen der Herzen eine kräftige Brise entgegenzusetzen.

Noch einmal: diese Kritik tut den zahlreichen positiven Aspekten des Kulturhauptstadtjahres keinen Abbruch. Aber: "Es hätte alles noch viel schlimmer kommen können" ist zu wenig für eine Stadt wie Linz. Und für einen klugen und selbstbewussten Intendanten wie Martin Heller. (Reinhard Kannonier/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 12. 2009)