Kabarettist Willnauer über seine Zukunft als Politiker: "Ich möchte das schon ernsthaft betreiben, nicht als Gag."

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Die steirischen Grünen haben am Samstag bei einer Landesversammlung den Spitzenkandidaten für die kommende Landtagswahl bestimmt. Überraschung gab es keine, wurde der Kabarettist Jörg-Martin Willnauer doch bereits im Vorfeld als Spitzenkandidat offiziell präsentiert. Er erhielt 85 Prozent der Stimmen. Im Interview mit derStandard.at spricht Willnauer über das ÖVP-Transferkonto, das auch ein "Schritt in Richtung Grundgehalt" sein könnte, warum soziale Themen bei den Grünen besser aufgehoben sind als bei der SPÖ, und weshalb er als Politik-Quereinsteiger nicht mit Patrick Ortlieb verglichen werden will.

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derStandard.at: Als ihre Parteikollegin Lisa Rücker in Graz zur Gemeinderatswahl angetreten ist, hat sie gesagt, sie will Bürgermeisterin von Graz werden. Wollen Sie Landeshauptmann werden?

Willnauer: Natürlich ist es schön, wenn man viele Zukunftsideen umsetzen kann, aber das ist etwas unrealistisch für eine Zehn-Prozent-Partei. Ich möchte möglichst viele Ideen, Vorschläge und grüne Projekte verwirklichen. Das geht sicher auch ohne Landeshauptmann zu sein. 

derStandard.at: Sie sind ein politischer Quereinsteiger. Wie kam es dazu, dass Sie nun in die Politik wechseln?

Willnauer: Mit dem Begriff Quereinsteiger tue ich mir schwer. Das verbinden viele mit Patrick Ortlieb, von dem bin ich weit entfernt. Ich würde eher sagen, ich bin ein Bonustrack. Ich möchte bei den steirischen Grünen zusätzlich etwas einbringen. Ich bin seit meinem 14. Lebensjahr ein politisch denkender Mensch und habe in meinen Kabarett-Programmen auch immer wieder Stellung bezogen. Nicht tagespolitisch, aber im gesellschaftspolitischen Sinn. 

derStandard.at: Was wollen Sie in der Steiermark anders machen? Wo braucht es Veränderung?

Willnauer: Ich will gar nicht schimpfen, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden. Aber ich bin mir sicher, dass die neue Landesregierung ganz anders aussehen wird. Auch der Landtag wird anders aussehen. Es muss möglich sein, ökologische Projekte schneller anzugehen. Da ist viel drinnen, die Steiermark könnte viele ökologische Arbeitsplätze schaffen.

derStandard.at: Wird Landeshauptmann Voves eine Niederlage einfahren?

Willnauer: Es ist zu früh, darüber zu spekulieren. Es interessiert mich auch weniger, was die Personen angeht. Aber es gibt viele Themen, die angegangen werden müssen, auch im Bereich Migration und Integration. Warum gibt es keinen Integrationslandesrat? Man muss das zur Chefsache machen. Ich bin selber ein - privilegierter - Migrant, bin als deutscher Student nach Graz gekommen. Ich habe jedes Jahr zur Fremdenpolizei gehen müssen, um mein Sparbuch vorzulegen. Man hat mich gefragt, wovon ich lebe. Ich bin aber immerhin mit "Sie" angesprochen worden. Im Gegensatz zu vielen anderen.

derStandard.at: Wird der Wahlkampf ähnlich heftig werden, wie jener bei der Gemeinderatswahl in Graz im Jänner 2008? Damals hat ja Susanne Winter mit ihrem Mohammed-Sager für Aufregung gesorgt.

Willnauer: Es steht zu befürchten, dass da einige Sätze wieder tief daherkommen werden. Ich möchte mich nicht auf diese Ebene begeben. Aber wenn notorisch unsachlich geredet wird, kann man das nicht verbieten. Es gibt das Recht auf freie Meinungsäußerung. Man muss dann von Fall zu Fall entscheiden, ob man das kommentieren soll. 

derStandard.at: Aus der Perspektive des Bundes gilt Franz Voves als Polterer aus der Steiermark. Es gibt immer wieder scharfe Töne der steirischen SPÖ in Richtung Bundes-SPÖ. So hat Voves zum Beispiel eine Verteilungsdebatte anzuzetteln versucht. Nimmt Ihnen die SPÖ da auch WählerInnen weg? Armutsbekämpfung ist ja auch ein grünes Kernthema.

Willnauer: Natürlich hat die SPÖ viele ureigene Themen in den letzten Jahren ein bisschen vernachlässigt und versucht jetzt, verbal-radikal wieder Fuß zu fassen. Aber ich glaube, dass inzwischen viele soziale Themen bei den Grünen besser aufgehoben sind. Wiewohl es nach wie vor in der SPÖ viele gibt, die für die Schwächeren einstehen. Ich behaupte nicht, dass nur eine Partei die Weisheit mit Löffeln gefressen hat und alle anderen dumm sterben. Es gibt auch in der SPÖ nach wie vor sehr viele gutwillige Menschen, die versuchen, etwas weiterzubringen.

derStandard.at: Bleiben wir bei der Umverteilungsdebatte. Die ÖVP will ein Transferkonto. Was halten Sie davon?

Willnauer: Ich finde es interessant, dass die ÖVP da plötzlich die Transparenz entdeckt. In vielen anderen Bereichen wäre sie dringend notwendig, da schweigt die ÖVP aber. Unterschwellig, vielleicht unterbewusst ist diese Forderung der ÖVP aber möglicherweise ein Schritt in Richtung Grundgehalt. Beim Transferkonto werden alle Leistungen aufgelistet, die die Betreffenden bekommen und ein Grundgehalt ist ja im Wesentlichen auch eine Zusammenfassung der Transferleistungen. Da gibt es einen Zusammenhang. 

Generell finde ich ja, die Steiermark braucht mehr Transparenz, Österreich braucht mehr Transparenz. Interessant ist nur, dass die ÖVP das ausgerechnet im Sozialbereich fordert, in anderen Bereichen aber nicht. Was ist zum Beispiel mit der Finanzierung der ÖVP? Da herrscht keine Transparenz. 

derStandard.at: Ihr politisches Vorbild ist die schon erwähnte Grazer Vizebürgermeistern Rücker. Können Sie sich auf Landesebene auch eine schwarz-grüne Zusammenarbeit vorstellen oder lieber eine rot-grüne?

Willnauer: Ich könnte mir was Parteiübergreifendes vorstellen. Es gibt in den meisten Parteien vernünftige Leute und in allen Parteien, gibt es Leute, die nicht sehr vernünftig agieren. Ich will eine Koalition der Vernünftigen anstreben. Und diese Leute gibt es in beiden großen Parteien.

derStandard.at: Ein Dreiergespann?

Willnauer: Durch die jetzt noch geltende Proporzregierung, die ja eigentlich verschwinden muss, wird eine Zusammenarbeit gar nicht anders möglich sein. In der Landesregierung wird Schwarz sitzen, Rot sitzen und hoffentlich auch Grün.

derStandard.at: Wollen Sie selbst dann auch in die Regierung?

Willnauer: Das wird nach dem Wahlergebnis zu entscheiden sein, aber wenn wir intern zu dem Ergebnis kommen, dass ich das übernehmen soll, dann werde ich es tun. 

derStandard.at: Auf Ihrer Homepage finden sich Termine mit Ihren geplanten Auftritten als Kabarettist. Sie sind auch im Frühling schon gut gebucht. Haben Sie nicht Angst vor der Doppelbelastung?

Willnauer: Es ist eine Doppelbelastung. Es ist schon jetzt so, dass ich als Politiker wahrgenommen werde, obwohl die interne Wahl noch nicht einmal stattgefunden hat. Ich habe mich beworben. Die Leute sprechen mich aber schon als "Herr Landesrat" oder "Herr Landtagsabgeordneter" an. Manche haben auch schon um einen Job gefragt.

In Zukunft wird es nicht mehr gehen, dass ich beide Berufe miteinander vereinbare. Ich werde zu den Terminen, die ich schon fixiert hab, natürlich noch auf der Bühne stehen, aber danach gehe ich als Kabarettist keine neuen Verpflichtungen mehr ein. Denn sonst wird der Politiker mit kabarettistischen Maßstäben gemessen und der Kabarettist mit politischen Maßstäben. Das kann nicht funktionieren. Ich möchte das schon ernsthaft betreiben, nicht als Gag. 

derStandard.at: Sollen die Grünen einen Bundespräsidentenkandidaten aufstellen?

Willnauer: Ich hätte mir den Alexander Van der Bellen gewünscht, aber ich kann verstehen, dass er sich das nicht antut. Es ist sehr teuer, viel Stress und nur als Zählkandidat gegen den von mir geschätzten Bundespräsidenten Heinz Fischer aufzutreten, ist auch nicht wirklich erstrebenswert. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 5.12.2009)