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Sportlich, beruflich und privat: Plautz tritt für Gerechtigkeit ein.

Foto: EPA/SRDJAN SUKI

Standard: Behalten Sie - nun, da Sie nicht mehr Uefa-Schiedsrichter sind - Ihr Autokennzeichen?

Plautz: Das bleibt so: IL - UEFA1. Sonst kennen mich die Leut ja nimmer. Außerdem werde ich ja Uefa-Schiedsrichterbeobachter.

Standard: Sie sind Jahrgang '64, zählen Sie sich damit auch selbst zum alten Schiedsrichtereisen?

Plautz: Aber geh. Ich bin geistig und körperlich topfit, könnte durchaus weiterpfeifen, auch auf höchstem Niveau. Deshalb ist viel Wehmut dabei. Das Alterslimit ist halt immer mehr gesenkt worden, von 52 auf 50 auf 47 bis eben auf 45 Jahre. Vielleicht sind die neuen Generationen auch tatsächlich ausgelaugter, weil die Belastungen höher sind. Natürlich spür auch ich jedes Spiel, aber nach zwei Tagen ist das vorbei.

Standard: Wieso sind Sie Referee geworden?

Plautz: Ich hab als Siebenjähriger das erste Fußballspiel gesehen und war von den Männern in Schwarz sofort fasziniert. Ob sportlich, beruflich oder privat, ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker. Ich wollt auch immer alles perfekt machen. Aber den perfekten Schiedsrichter kann's nicht geben. Wie jeder Spieler macht auch jeder Schiedsrichter Fehler, größere oder kleinere.

Standard: Als fehlbarer Mensch und Gerechtigkeitsfanatiker müssten Sie ja begeistert sein von Videobeweis, Torkamera et cetera?

Plautz: Fehler tun weh, und jeder Schiedsrichter macht sich darüber Gedanken. Jetzt gibt es Headsets und immer mehr Schiedsrichter pro Partie. Aber wo beginnt's, und wo hört's auf? Wenn der Videobeweis zugelassen wird, dauert eine Partie doppelt so lange. Dass man danach über Fehler redet, macht doch den Reiz des Fußballs aus.

Standard: Aber wäre es nicht auch von gewissem Reiz, dass etwa jeder Trainer zweimal pro Partie einen Videobeweis verlangen darf?

Plautz: Nur müsste das die Fifa in ihr Regelwerk übernehmen. Und das müsste überall auf der Welt gelten bis zum Nachwuchs hinunter. Das wäre in vielen Ländern unfinanzierbar.

Standard: Apropos Geld. Denkt der Referee, der vergleichsweise Peanuts kassiert, über die Gagen der Spieler nach, die da nach seiner Pfeife tanzen?

Plautz: Aufs Geld kommt's nicht an. Dass ich 500 Euro kriege und der Profi neben mir eine Million, war für mich nie ein Thema. Mehr Geld macht die Referees nicht besser. In England pfeifen Profis, aber pfeifen sie besser? Ich glaube nicht.

Standard: Schiedsrichter bekommen viel zu hören, von Spielern, Trainern, Zusehern. Ist ein Referee automatisch auch Masochist?

Plautz: Eine Portion Masochismus ist wohl dabei. Der Anfang der Karriere ist schwierig. Aber danach macht es richtig Spaß. Du darfst nur nicht immer der Teschek bleiben, sonst haust du den Hut drauf.

Standard: Kärntens Klubpräsident Jörg Haider nannte Sie einen käuflichen Ganoven, auch von Sturms Hannes Kartnig wurden Sie verunglimpft.

Plautz: Und weil ich Gerechtigkeitsfanatiker bin, hab ich mich gewehrt, beide mussten Strafe zahlen. Ich habe immer mein Bestes gegeben, vielleicht war es an dem einen oder anderen Tag nicht gut genug. Aber ich muss mich nicht beschimpfen lassen für etwas, auch nicht für den gröbsten Fehler, wenn keine Absicht dabei war. Mit Kartnig hab ich mich ein Jahr später ausgesprochen, ich hab nichts gegen ihn, er war ja mit Leib und Seele Präsident.

Standard: Pfeift es sich in der Champions League leichter als in der Landesliga?

Plautz: Je höher die Ebene, umso leichter wird es. Weil der Schiedsrichter nicht bei jedem Pfiff attackiert wird, weil er also in seiner Tätigkeit weniger gestört wird.Außerdem muss man weiter unten halt einfach öfter reinpfeifen, weil die fußballerische Qualität dort nachlässt.

Standard: Hatten Sie je in Ihrer Zeit als Referee echte Angst?

Plautz: Eigentlich nur einmal, als die Fans 2005 in einem Wiener Derby mit Feuerwerkskörpern geschossen haben. Das war nach dieser Geschichte mit dem Foul von Didulica an Lawaree. Da hatte ich wirklich Angst, dass Spielern oder Zusehern etwas zustoßen könnte. Ich hab für eine halbe Stunde unterbrochen, danach haben wir Gott sei Dank fortsetzen können.

Standard: Ist die EURO 2008 gleichzeitig als der Höhe- und ein Tiefpunkt Ihrer Karriere anzusehen?

Plautz: Das ist schon richtig. Das 4:1 Spaniens gegen Russland in Innsbruck, in der Landeshauptstadt, war für mich schon fast wie ein Finale, nicht zu toppen. Und die Leistung war tadellos, ich bin ohne gelbe Karte ausgekommen. Vielleicht waren wir dann zu euphorisch - die zweite Partie, das 2:0 der Schweiz gegen Portugal, war echt schlecht, ich hab eine rote Karte und einen Elfmeter übersehen. Dann war die EURO schon Geschichte für mich.

Standard: Sie sitzen für die ÖVP im Tiroler Landtag, kandidieren im Frühjahr in Ihrer Heimatgemeinde Navis fürs Bürgermeisteramt. Wie stehen die Chancen?

Plautz: Fünfzig zu fünfzig, würde ich sagen. Die Liste, die ich übernehme, stellt derzeit den Bürgermeister. Die zweite Liste kommt auch aus der ÖVP, das wird ein schönes Match, sicher kein Match unter der Gürtellinie.

Standard: Kann man als Schiedsrichter Sympathien für einen bestimmten Verein haben, national und/oder international?

Plautz: Man kann wahrscheinlich schon. Aber für mich war das nie ein Thema. Ich hab immer alle gleich behandelt, Namen spielten jedenfalls keine Rolle. Für mich hat immer Schwarz gegen Weiß oder Rot gegen Weiß gespielt. (Fritz Neumann, DER STANDARD Printausgabe 5.12.2009)