Klassenkämpfer in Widerstandspose: Alfred Hrdlicka 1988 vor dem "Mahnmal gegen Krieg und Faschismus" auf dem Albertinaplatz.

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Der streitbare Proletarier mit marxistischem Hintergrund polarisierte verlässlich.

Wien - "Das sind nette Scherze", verbat sich Alfred Hrdlicka 2008 den Versuch, ihm zum Achtziger das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst umzuhängen. Nur Spott hatte er für solche "Kinderspiele" übrig; Geld für weitere Projekte, danach dürstete es den ewig Durstigen, der das in ihm wütende Höllenfeuer zeitlebens mit Feuerwasser begoss.

Und so spuckte das "wüste Kaliber" meist Gift und Galle, kokettierte mit seiner Unausstehlichkeit ("Ich bin nun einmal ein Mann des Widerstands"), liebte die Extreme (vom "letzten Steinzeitmenschen" bis zum "letzten Stalinisten") und die Superlative: "Gegen mich ist Rodin ein lieber Künstler". Oder: "Ich war einmal der Größte, das können Sie mir glauben", versicherte der Koloss, den das Ringen mit dem Stein kurzzeitig in den Rollstuhl zwang - ganz so, als hätte er sich selbst die Brocken für seine handwerklich virtuose Arbeit abringen müssen.

Aber der zum künstlerischen Titan Mythologisierte hatte noch Pläne und nicht die Absicht, Ruhe zu geben: "Ich bin eine Ruine", resignierte Hrdlicka in einem Moment, um im nächsten eigensinnig zuversichtlich hinzuzufügen: "Ich muss wieder fit werden".

Jedes Interview und jedes Gespräch habe ihm wieder Auftrieb gegeben, erzählt Ernst Hilger, seit 1971 Galerist Hrdlickas, dem Standard. "Es ist keine drei Monate her, dass er bei mir in der Galerie saß", erinnert dieser sich. Er sei allerdings schon sehr schwach gewesen, habe fast nichts mehr gesehen: "Er war ein Zusatzvater - mit allen Vor- und Nachteilen".

Mehr Gefallen als an schnöden Ehrungen und Titeln - zuletzt war Hrdlicka dreifacher Professor - fand der österreichische Bildhauer 2008 an den Ausstellungen zu seinem Geburtstag - die größte fand allerdings nicht in Österreich, sondern in Schwäbisch Hall statt: "Die Deutschen kennen mich besser."

Genugtuung gab ihm aber auch die Inszenierung seines stets den gepeinigten, leidenden Menschen ins Zentrum stellenden bildnerischen Schaffens auf dem Albertinaplatz; also justament dort, wo sein "Mahnmal gegen Krieg und Faschismus" (1988/91) 20 Jahre zuvor ärgste Kontroversen ausgelöst hatte und er jahrelang Kritik der giftigsten Art einstecken musste. Ein Werk, das nicht zuletzt den Verlust des Bruders, der vor Leningrad gefallen war, verarbeitete: "Die ganze Kriegsspielerei empfinde ich als einen unglaublichen Leichtsinn".

Gegen jede Obrigkeit

Hrdlickas politischer Geist wurde schon in frühester Kindheit geschärft: Als der kommunistische Vater von den Nazis gedemütigt und verhaftet wurde, wurde dem 1928 in Wien Geborenen klar, "dass die Obrigkeit das größte Verbrechertum ist, das es gibt." Zeit seines Lebens war er bekennender Marxist, obgleich er 1956 die KPÖ verließ. Neben großen Steinen klopfte er immer auch große Worte: "Der Kapitalismus, das muss man feststellen, hat versagt."

Nach einer Zahntechnikerlehre schloss Hrdlicka 1945 sein Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste ab, um danach in die Bildhauerklasse Fritz Wotrubas zu wechseln. 1964 vertrat er Österreich bei der 32. Biennale von Venedig. Besonders wichtig war Hrdlicka stets der öffentliche Raum: "Meine Skulpturen sind dazu da, von allen gesehen zu werden", zitiert Hilger ihn. Es ärgerte ihn, wenn die Museumsdirektoren die vom Vorgänger erworbenen Werke in den Keller verbannten.

An- und Aufreger sollten seine Werke sein. Und das waren sie. Wilde Erregung 1963, als sein Orpheus für das Kleine Festspielhaus angekauft wurde. Eine "Liga gegen entartete Kunst" fand sich zusammen, als man 1967 sein Renner-Denkmal enthüllte. In Berlin ärgerte man sich 1970 über den "Plötzenseer Totentanz", in Hamburg über sein Gegenstatement zum Krieger-Ehrenmal. Es blieb unvollendet. 1986 verhöhnte er im Präsidentschaftswahlkampf Kurt Waldheims vermeintliche SA-Mitgliedschaft mit einem hölzernen Ross.

In dieser Reihe ist es fast als Kompliment anzusehen, dass sich in die Ehrungen 2008 neuerlich ein Skandälchen mischte: Das Dommuseum ließ sein homoerotisches "Letztes Abendmahl" - auf innerkirchliche Proteste reagierend - nachträglich aus der Ausstellung zum Religiösen in Hrdlickas Werk entfernen. Aber war Hrdlicka religiös? Er war bibelfest. Das Buch der Bücher sah er als Krimi an, dem er spannende Geschichten entlieh.

"Mir ist das Überleben wichtiger als die Unsterblichkeit", sagte Hrdlicka mehr als nur einmal. Am Samstag ist Hrdlicka 81-jährig in Wien gestorben. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7./8.12.2009)