Die Rufe die Besetzungen zu beenden werden lauter, die wenigen verbleibenden Studenten wollen aber nicht aufgeben.

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Immer weniger Studenten verirren sich ins Audimax.

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"Wir brauchen kein Ausstiegsszenario", sagt ein Besetzer. Er steht hinter der Budel in der Volksküche im Audimax. Viel ist hier vormittags nicht los - das Audimax ist noch dunkel, vereinzelt schlafen Menschen auf den Bänken. Studenten sieht man kaum. Es sind überwiegend Obdachlose, die den Hörsaal besetzt halten. Sechs Wochen sind ins Land gezogen. Das Audimax ist noch immer besetzt. Doch wie lange noch? Und: Welches Ausstiegsszenario wünschen sich die Studierenden?

Wenige Studenten im Audimax

Der Student, er nennt sich Simon, gibt zu: „Jetzt sind tagsüber weniger Studenten da. Das liegt vor allem daran, dass sie hier schwer arbeiten können." Sie arbeiten eben woanders und treffen sich im Audimax zu den Plena, argumentiert der Student. "Die Frage, ob und wenn wir aufgeben, stellt sich jetzt nicht."

Die fast nunmehr 50-tägige Besetzung des größten Hörsaals der Uni war nicht die einzige in der Geschichte der Studentenschaft: 1987, 1996 und 2001 gab es ebenfalls Besetzungen des Audimax. Vorher, nachher und dazwischen gab es weitere Aktionen, die "Tortung" des Uni-Wien-Rektors 2004 - während einer Veranstaltung drückte ein Student dem Rektor eine Torte ins Gesicht - ist wohl einer der jüngsten Höhepunkte.

Exekutiertes Ende

Die Besetzungen endeten entweder durch Polizeieinsätze, oder indem sich der Protest auflöste. Karl Stocker, Historiker an der Karl-Franzens-Universität in Graz erinnert sich an zahlreiche Hörsaalbesetzungen in den 70-er Jahren: "Die Hörsäle wurden immer von der Polizei geräumt". Von Erfolg waren die studentischen Aktionen nicht gekrönt - heute könnte das aber anders sein. "Heute gibt es auch ein koopreatives Vorgehen der Rektorate", sagt Stocker. Eine Räumung wünscht er sich nicht, eher gefällt ihm ein anderer Vorschlag der Studierenden: "Der Plan mit dem Parlament ist super."

Proteste dünnen aus

"Studentenbewegungen haben in dem Sinn nie wirklich geendet, mit einer großen Abschlusskundgebung oder ähnlichem. Die Proteste dünnen aus, es werden immer weniger. Genauso wie jetzt auch die Zahl der Studenten im Audimax kleiner wird, wenn die Proteste so lange dauern", sagt Karl Vocelka, Vorstand am Institut für Geschichte an der Uni Wien. Er hat sich in einem Buch mit den Folgen der Achtundsechziger-Bewegung auf Österreich auseinandergesetzt: "Die Studentenbewegung ist damals erfolgreich gescheitert. Kurzfristig war die Achtundsechziger-Bewegung überhaupt nicht erfolgreich, langfristig hat der Veränderungswille die Gesellschaft und die Universitäten aber maßgeblich geprägt." Nun stellt sich die Frage, wie die aktuellen Besetzungen enden.

Weihnachten im Audimax

Im Audimax-Besetzer-Büro, einem Raum neben dem Hörsaal, steht jedenfalls schon ein Christbaum, schräg in der Ecke, mit silbernem Lametta geschmückt.

Nur die Bewegung als ganzes könne das Ende der Besetzung beschließen, das sei aber noch nicht der Fall, sagt Jakob, der Presseanfragen beantwortet. Das Angebot von Rektor Winckler, das Audimax für Vorlesungen freizugeben und in Büros umzuziehen, konnte das Plenum noch gar nicht behandeln: "Er hat das Angebot an uns Studierende gar nicht gerichtet", sagt der Besetzer.

Jakob will von der Räumung des Audimax nichts wissen, genauso wenig wie der Student, der sich in der Zwischenzeit zu den Obdachlosen in den großen Hörsaal gesellt hat, eine Zeitschrift liest und die ältere Frau, die auf der Bühne Lyrik vorträgt, kaum beachtet. "Es verläuft sich irgendwie. Doch ich weiß leider auch nicht, wie man das ändern könnte. Die Anliegen sind noch immer wichtig", sagt er.

"Die Politik sitzt die Besetzung aus"

Welche Anliegen waren das schnell noch einmal? „Das Ende der Besetzung wäre gerechtfertigt, wenn den Unis genügend Geld zur Verfügung gestellt werden würde. In welchem Maß, weiß ich nicht genau, doch jetzt ist es zu wenig", sagt ein anderer, der seine Freizeit manchmal im Audimax verbringt.

Olga, die sich mit einer Kommilitonin unterhält, ist verärgert: „Die Politik sitzt die Besetzung jetzt nur aus." Ein ideales Ende der Besetzung wäre jenes, wenn die Politik wirklich Änderungen vornehmen würde. Sie kann sich auch vorstellen, den Hörsaal für Vorlesungen frei zu machen und - wie an manchen deutschen Unis - in der vorlesungsfreien Zeit zu besetzen. Ihre Kollegin Berit ergänzt: „Die Besetzung hat jetzt symbolischen Charakter. Der Protest geht an den Instituten und in den Arbeitsgruppen weiter."

Festgefahrene Situation

Auch Außenstehende machen sich Gedanken zur Situation. Der Blogger Niko Alm sieht die Studenten in einer festgefahrenen Situation: denn weder bewegt sich das Ministerium noch die Studenten. Also rät er den Besetzern, eine Party zu veranstalten, einen Forderungenkatalog abzugeben und nach einem halben Jahr die Uni notfalls nochmal zu besetzen.

Helmut Konrad, Zeithistoriker an der Uni Graz und aktiver Teilnehmer an den Protesten 1968, sieht trotz seiner Sympathien für die Proteste die Zeit für Ausstiegsszenarien ebenfalls gekommen. "Einen konkreten Handlungserfolg hat es früher nie gegeben nach dem Motto: Wir besetzen die Aula und fordern dieses und jenes und werden nicht gehen bevor das erfüllt ist. Da ist die jetzige Bewegung erfolgreicher. Im Gegensatz zur heutigen Bewegung waren das aber auch oft nur Strohfeuer." Er sieht ein Problem für die jetzige Situation in der Strategie der Studenten, keine Gesichter und Namen in den Vordergrund zu rücken. "Das war die anfängliche Stärke des Protest. Längerfristig gesehen ist es aber immer nachteilig, da es so keine Verhandlungspartner gibt." (Michael Kremmel, Marijana Miljkovic, derStandard.at, 9. Dezember 2009)