Das vergangene Jahr hat die in Moskau und Kiew präsenten Wirtschaftskanzleien auf eine harte Probe gestellt. Trotz Krise, Korruption und Rechtsunsicherheit sehen sie viel Potenzial und wollen vor Ort bleiben.

Vor kurzem hat CMS Moskau neuerlich seine Mitarbeiterzahl deutlich reduziert. Mit Ende des Jahres wird das Team dort um 29 Rechtsanwälte und 32 Angestellte gegenüber dem Jahresanfang geschrumpft sein. Office-Managing-Partner Jean-François Marquaire begründet den Personalabbau mit dem massiven Rückgang an Arbeit. Und die wenigen Causen, die es gebe, müssten zu Stundensätzen abgewickelt werden, die kaum profitabel seien.

Dass auch andere große internationale Wirtschaftskanzleien wie Clifford Chance, Allen & Overy und Baker & McKenzie Leute kündigen und die Großsozietät Simmons & Simmons gleich ganz ihre Pforten in Moskau schließt, tröstet CMS, die mit der Wiener Sozietät CMSReich-Rohrwig Hainz eng verbunden ist, nicht. "Der Moskauer Markt ist extrem hart, die Wirtschaftskrise hat uns alle getroffen" , so Marquaire. Fast alle.

Nicht so schlimm wie 1998

Glaubt man den Worten von Günther Horvath, Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Wien, gilt dies für sein Unternehmen nicht: "Moskau ist einer unserer erfolgreichsten Standorte, wir haben dort mehr Arbeit, als wir bewältigen können, 80 Juristen sind beschäftigt." Dass Russlands Wirtschaft massiv kriselt, können weder Horvath noch sein Kollege Friedrich Jergitsch, Managing Partner des Wiener Büros, übersehen: "Natürlich, das Land ist extrem strukturschwach. Im Bankensektor ist das Kapital ferngeblieben, was zu erheblichen Schwierigkeiten führt." Trotzdem, mit der Russlandkrise von 1998 sei die Situation nicht zu vergleichen, da sei das Land ein Jahr lang stillgestanden. Davon könne heute nicht die Rede sein, heißt es bei der global aufgestellten Großkanzlei.

Jergitsch, der selbst fließend Russisch spricht und viel Zeit in Moskau verbracht hat, kennt das Land und seine Usancen: "Korruption spielt hier nach wie vor eine große Rolle. Jedes behördliche Handeln steht hier unter einem großen Fragezeichen, für jemanden mit unserem Verständnis einfach nicht nachvollziehbar." Das versuche Freshfields auch gar nicht, erklärt Jergitsch: "Wir bieten unseren Mandanten erstklassige rechtliche Beratung, für etwas anderes stehen wir nicht zur Verfügung."

Gleichstand bei Korruption

Das betont im Übrigen auch jene Handvoll österreichischer Anwaltskanzleien, die in der Ukraine ihre Zelte aufgeschlagen haben. Das Land schneidet im gerade erst veröffentlichten Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International genauso verheerend ab, wie sein großer Nachbar; Russland und die Ukraine finden sich ex aequo abgeschlagen auf Platz 146 von 180 möglichen. Und zur schlechten Wirtschaftslage kommt eine politische Dauerkrise hinzu.

"Gerade in den letzten Monaten musste ich wieder einiges an Ernüchterungen in der Ukraine erfahren" , sagt Alexander Popp von Schönherr Rechtsanwälte. "Man hat es hier mit Gerichten zu tun, bei denen man sich Urteile wie im Supermarkt abholen kann. Richter wie Beamte bei Kartell-, Grundstücks- und Registerbehörden lassen sich Entscheidungen abkaufen. Für sie bedeutet das ein nettes Zusatzeinkommen."

Das war auch 2006 nicht anders, in jenem Jahr, in dem Schönherr sein Büro in Kiew eröffnete. Bloß fühlte man sich als Anwalt aufgrund der vielen Projekte dennoch wie im Schlaraffenland. "Die gebratenen Hendln sind quasi durch die Luft geflogen. Wir haben drei extrem profitable Jahre hinter uns, die es uns ermöglichen, auch in der jetzigen Lage durchzuhalten" , sagt Christoph Lindinger, Managing Partner von Schönherr.

So viele Chancen

Ebenso hat Raimund Cancola, Partner bei enwc Rechtsanwälte, seine anfänglich hohen Erwartungen deutlich nach unten korrigiert: "Das große Geld kann man zurzeit in der Ukraine nicht verdienen, obwohl dieses Land so viele Chancen in sich birgt. Aber die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen müssen sich ändern, wenn man die Ressourcen nützen will."

Enwc hat erst seit 18 Monaten ein Büro in der ukrainischen Hauptstadt, und auch das nur, weil man – so Cancola – mit Laurenti Kiszczuk auf einen kongenialen Partner gestoßen sei. Kisczcuk hat zwar in Deutschland studiert und gearbeitet, ist aber ukrainischer Herkunft. Heute ist er Equitypartner von enwc und für das Büro in der Ukraine zuständig.

"Wenn Sie niemanden haben, der die Sprache perfekt spricht, die Mentalität der Leute kennt und nicht hervorragend vernetzt ist, dann brauchen Sie erst gar nicht zu beginnen" , so Cancola, "Wenn es nämlich so etwas wie den Wilden Osten gibt, dann ist das die Ukraine." Man habe es mit potenziellen Mandanten zu tun gehabt, die das Erstgespräch in zwei Teile gegliedert hätten: "Den offiziellen und den inoffiziellen Teil. Wir brauchen keine Sekunde, um zu wissen, das wir für so jemanden nicht arbeiten. Da können die Zeiten noch so schlecht sein."

Überraschenderweise gibt es auch Anwälte, die der instabilen Lage in der Ukraine etwas abgewinnen können. Christian Mikos, Partner bei Wolf Theiss (WT), zählt zu ihnen: "Die Krise führt auch zu einer Korrektur in vielerlei Hinsicht. Exorbitante Mietpreise für Bruchbuden, Stundensätze zwischen 400 und 500 Euro für junge Partner und Spitzengehälter für durchschnittliche Arbeitskräfte, das konnte so nicht weitergehen."

Für die Kanzlei Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati waren genau diese Auswüchse Gründe, sich nicht auf die Ukraine einzulassen. Stattdessen eröffnete CHSH in Minsk ein kleines Büro. Dort ticken die Uhren anders, behauptet Albert Birkner, Managing Partner von CHSH. "Wir haben damals die Mobilkom nach Weißrussland begleitet, heute betreuen wir dort international tätige Konzerne wie Siemens, Bosch und Ericsson" , sagt er. "Und das Angenehme ist: Es gibt in Minsk kaum Transaktionen im High-End-Bereich, aber im Unterschied zu Russland und der Ukraine erlebt man hier weder als Unternehmer noch als Anwalt böse Überraschungen mit Behörden und Gerichten." (Judith Hecht, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.12.2009)