Bild nicht mehr verfügbar.

Es staunt Macbeth (Simon Keenlyside, am Tisch) über den Besuch des ermordeten Banquo (Stefan Kocan). Lady Macbeth (Erika Sunnegardh) will beruhigen.

Foto:APA

Wien - Nun gehört die Oper seit jeher zu jenen hysterisch rezipierten Kunstformen, bei denen der Ärger mitunter nicht das Ende einer Vorstellung abwarten kann, um sich gnadenlos zu entladen. Quasi: Ausreden lassen gibt es nicht! Dass es schon nach etwa drei szenischen Minuten dieses Macbeth an der Wiener Staatsoper zu den ersten Buhrülpsern kam, gehört jedoch schon in den Bereich der rekordverdächtig schnell einsetzenden Belästigungen durch eine Geisteshaltung, die es wohl dumpf als Provokation empfindet, dass das 20. Jahrhundert mit all seinen zeitgemäßen Regieentwicklungen überhaupt existiert hat.

Umso grotesker wirkt dieser während der Vorstellung immer wieder anschwellende Zorngesang, der sich zum Schluss, als Regisseurin Vera Nemirova auf die Bühne kam, zum Orkan formierte, als eigentlich so gar nichts Skandalöses passiert war. Man war nur Zeuge einer aktualisierenden Werkdeutung geworden, die sich selbst halt mindestens ein Regiebein gestellt hatte - durch Ideen, die etwas aufgesetzt witzig wirkten, aber alles andere als besonders kühn erschienen.
Nicht sehr originell

Das Problem dieser Version war somit weniger in einer kalkulierten Provokation, vielmehr in der mangelnden Balance zwischen den ernsten, dramatischen Momenten und jenen durch die Hexenwelt repräsentierten zu suchen, die Nemirova etwas zu sehr auswalzte und dabei mit nicht besonders originellen Ideen ausschmückte.

Bei ihr wirkt das Kollektiv der weissagenden Damen als Teil einer im düsteren Wald wohnhaften, fröhlich dahinlebenden Künstlerkolonie. Die Damen malen gerne, proben Theaterstücke, fotografieren dies und jenes Ereignis, turnen in Bademänteln und zeigen, was passiert, wenn eine Regie das eigene Humorpotenzial überschätzt und auch bezüglich der szenischen Organisation keine Präzision, vielmehr Unverbindlichkeit erreicht. So wirkt die Hexenwelt bemüht humorig und vor allem bieder. Dies alles führt zu Längen.

Produktiver wäre es gewesen, sich auf das Düstere zu konzentrieren, sich mehr auf die machtkoalitionäre Beziehung zwischen Macbeth und seiner Lady einzulassen. Hier wären Ansätze vorhanden gewesen: Wie Macbeth zur Begrüßung seiner Dame herzlos-beiläufig eine Blume hinwirft, sagte schon einiges aus über die unwahren Gefühle, die da herrschen. Und wie sich beide nach dem ersten Mord auf engstem Duschraum aneinander klammern und verzweifelt versuchten, Blut von den Händen abzuwaschen, vermittelte, dass die Annäherung der beiden extrem viel mit Angst zu tun hat.

Es waren dies allerdings nur Momente, kleine szenische Punkte, die zu theatralen Verdichtungen führen. Es lässt Nemirova zwischendurch aber auch richtige Leerläufe zu, echte Stehpartien, die alles Aufgebaute und Entwickelte wieder gleichsam ausradieren. Erst am Ende, wie Macbeth in Zeitlupe gegen eine Armee von Äxten kämpft, entsteht so etwas wie imposante Bildkraft.

Dass Simon Keenlyside (als Macbeth) immer zugegen war, wenn es qualitativ aufwärts ging, macht ihn zur Ausnahme eines auch musikalisch durchschnittlichen Abends. Mit seinem Talent zum Lyrischen (das Dramatische liegt seiner Stimme merklich nicht wirklich) verleiht er der Figur auch eine gewisse poetische Fragilität. Zudem hatte er noch zum Schluss hin Kraft zum grandios-kultivierten Vokalaugenblick.

Die ausgebuhte Erika Sunnegardh (als Lady Macbeth) verfügte nur über tragfähige Höhen. Sie hatte zudem auch das Pech, einen heiklen finalen Augenblick in einer eher ungünstigen Liegeposition absolvieren zu müssen ... Drumherum einigermaßen solide Qualität (Stefan Kocan als Banquo, Dimitri Pittas als Macduff und Gergely Nemeti als Malcolm).

Die Vorgänge im Orchestergraben schließlich waren dem szenischen Geschehen keine übergroße Hilfe - der für Daniele Gatti eingesprungene Guillermo Garcia Calvo konnte kaum Impulse setzen. Er ließ kurzatmig phrasieren, erst ab der Mitte des Abends kam punktuell etwas Intensität auf. Letztlich blieb die instrumentale Gestaltung zu eindimensional, um neben Lautstärke auch wirkliche Ausstrahlung vermitteln zu können. Auch der Dirigent wurde natürlich ausgebuht. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD/Printausgabe, 09.12.2009)