Der Industrielle Hannes Androsch in seinem Wiener Innenstadtbüro: Er fordert mehr Geld für Bildung und Forschung.

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STANDARD: Wenn Sie das österreichische Innovationsklima mit jenem in anderen europäischen Ländern vergleichen: Zu welchem Schluss kommen Sie?

Androsch: Ich möchte eine Gegenfrage stellen und danach zur Antwort überleiten: Meine Großmutter war Hausbesorgerin und natürlich vom Ehrgeiz getrieben, dass aus ihrem Enkel etwas wird. Wie könnten wir einer Frau wie ihr erklären, warum wir Forschung brauchen?

STANDARD: Wir machen ihr deutlich, was ohne Forschung und Innovation nicht in dem Ausmaß möglich wäre, wie wir es gewöhnt sind: medizinische Versorgung, Wohlstand, Mobilität ...

Androsch: So ist es. Wenn die Frage lautet "Warum brauchen wir Forschung?", dann kann die Antwort nur heißen: damit wir uns Dinge leisten können, die wir uns ansonsten nicht leisten könnten: Umwelt, Pflege, Pensionen, Bildung, Universitäten. Ich könnte nochmal so viele Begriffe nennen. Wir müssen den Menschen klar machen, dass all das ohne Forschung nicht möglich ist. Wir machen das nicht ohne Erfolg. Nur frage ich mich, warum Österreich dann in einer aktuellen Studie des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung nur an 13. Stelle von insgesamt siebzehn Ländern sind. Das kann es bitte nicht sein.

STANDARD: Diese Klagen, dass Österreich weit weg von der Spitze ist, sind nicht neu. Haben Sie vielleicht auch einen Plan, wie man die Situation verbessern könnte?

Androsch: Vor kurzem wurden die Eckpunkte einer künftigen Strategie für Forschung und Innovation festgelegt. Regierung und Wirtschaftsforscher waren sich über die Bedeutung des Themas einig. Doch den Worten sollten finanzielle Daten folgen. Anfang Juli 2008 wurde ein Forschungspfad von 2,5 Milliarden Euro jährlich festgelegt. Gut, da kam die Wirtschaftskrise dazwischen, aber jetzt haben wir 900 Millionen. Das ist viel zu wenig. Oft werde ich dann gefragt, woher der Staat das fehlende Geld nehmen soll. Das kann ich schon nicht mehr hören. Man müsste den offensichtlichen Missbrauch des Sozialstaates einschränken, Scheininvaliditäten und Scheinkrankenstände reduzieren, dann wäre das fehlende Geld für die Forschung da.

STANDARD: Kein Politiker wird sagen, dass das Sozialsystem ausgenutzt wird und dass er das nun abstellen will, um Geld zu sparen. Das kostet Wählerstimmen.

Androsch: Mag sein, aber der Staat hat nur begrenzte finanzielle Ressourcen. Da muss man auch Schwerpunkte setzen. Einer wäre: das Bildungsniveau so anzuheben, dass es der Zeit entspricht. Es geht auch darum, sich auf Inhalte zu konzentrieren, mit denen man hierzulande eine kritische Größe erreicht hat. So wie wir das im kleineren Rahmen im neuen Austrian Institute of Technology gemacht haben. Wir haben aus der Zersplitterung der Aktivitäten in den Austrian Research Centers, die meistens unterkritisch waren, eine vernünftige Struktur mit Schwerpunkten geschaffen. Wir haben ein defizitäres Unternehmen übernommen, sind in den schwarzen Zahlen, haben die Lokomotive auf Schiene gebracht, jetzt müssen wir es am Laufen halten.

STANDARD: Muss es einem nicht leidtun um Forschungsbereiche, die der Verschlankung des Unternehmens zum Opfer fielen? Die Materialwissenschaften zum Beispiel?

Androsch: In einem Forschungsunternehmen kann es nicht um Sentimentalitäten gehen. Die Materialwissenschaften werden Bestandteil des Kompetenzzentrums für Tribologie in Wiener Neustadt. Wir müssen nur noch klären, wie sich das AIT daran beteiligt. Ein zentraler Bestandteil unserer Strategie ist, dass wir uns vernetzen, mit Forschungszentren, mit Universitäten, und zwar über die Landesgrenzen hinausgehend. Was unsere Kooperationen mit Unis betrifft, haben wir noch einigen Spielraum.

STANDARD: In welche Richtung?

Androsch: Zum Beispiel könnten die Top-Wissenschafter am AIT Professuren an Unis haben, wenn sie habilitiert sind. Das würde mehr Exzellenz schaffen, die wieder interessante Forscher anzieht. So kann man international sichtbar werden.

STANDARD: Angesichts der Krise wird aber auch Ihnen nichts anderes als sparen übrigbleiben.

Androsch: Gerade in Krisenzeiten müssen wir aber schon optimistisch denken. Ich bin zwar ein pragmatischer Realist, aber aus Visionen und Tagträumen schöpfe ich die Motivation. Das heißt nichts anderes, als im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten alles zu tun, um das AIT vorwärtszubringen. Und irgendwann wird auch diese Krise vorbei sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 09.12.2009)