
Erschienen bei Polyfilm-Video, Region 2
Eine Gruppe von Studenten lümmelt vor den Türen der Universität herum. An dem kleinen Anti-Vietnam-Posten zeigen sie nur deshalb Interesse, weil sich darüber die Identität einer noch namenlosen Frau lüften ließe. Die vier Burschen haben sie bei einer Prüfung gesehen, ihre Sitznummer ist das Einzige, was sie von ihr wissen - die Chiffre eines drängenden sexuellen Begehrens, das sich bald an jedes beliebige Mädchen heftet und jegliche Pflicht nebensächlich erscheinen lässt.
"Sing a Song of Sex" ("Nihon Shunka-Ko", 1967) ist einer der unbekannteren Filme des japanischen Kinoerneuerers Oshima Nagisa. Aufgrund seiner Verquickung von Popkultur, Sexualität und Politik (unter Studenten) wurde er manchmal mit Jean-Luc Godards "La Chinoise" verglichen. Doch während man es bei Letzterem mit einer Jugend zu tun bekommt, die ihre Politiken spielerisch ausagiert, wissen Oshimas Halbstarke mit ihren neuen Freiheiten wenig anzufangen. Formal sind beide Filme jedoch am damaligen Puls der Zeit.
Oshima bereitet in der ersten Hälfte, mit einem nächtlichen Besäufnis, bei dem ein Lehrer zu Tode kommt, den Boden für ein immer fantastischer werdendes Finale: Realität und Einbildung, Sexualität und Nationalstolz, männliche Destruktivität und weibliche Unterwerfung bilden die Oppositionen des Films, die sich nicht auflösen lassen. Sein Refrain ist ein schlüpfriges Volkslied, in dem einmal die Stimme der unterdrückten Klassen ihren Ausdruck fand, das hier aber nur dumpfes Ressentiment verbreitet.
"Sing a Song of Sex" ist Teil einer neuen, äußerst verdienstvollen DVD-Edition von Polyfilm, die sich "japanischen Meisterregisseuren" widmet. Den Anfang macht Oshima, es folgen der Film-noir-Experte Yoshitaro Nomura, Keisuke Kinoshita und Ozu Yasujiro. (Dominik Kamalzadeh/ DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2009)