Sorry, nur die iPhone-Kamera dabei gehabt: Frittierte Bianchetti-Nester, schon okay.

Martin Pescatore
Via Friuli 46
Mailand
0039 02 54 62 843
Drei Gänge, Wein, Wasser: 46 Euro

Foto: Fidler

Haarige Angelegenheit: Sehr feine Moscardini, halt schlecht frisiert.

Foto: Fidler

Branzino in Erdäpfelkruste: Bin ja nicht so ein Krustenfreund, aber die ging ganz gut.

Foto: Fidler

Mailand liegt nicht am Meer, ich weiß schon. Aber wenn ich nach vier Tagen Piemont wieder den Kopf über den Carne-Cruda-Spiegel hebe, dann kann es durchaus passieren, dass ich Fisch brauche. Und: Der Absprung in Mailand, vor allem das Zimmer und der Schlafwagen zurück waren schon gebucht. Also Fisch in Mailand.

Mailand ohne Schnecken

Der Osteriaführer weiß auch da Rat, geradezu euphorischen sogar, wiewohl er ganz Milano schneckenfrei lässt, symbolmäßig betrachtet. Und das vielleicht sogar zu Recht, sofern ich das nach 56 Stunden (und ein, zwei weniger essintensiven Besuchen) schon beurteilen darf bei doch immerhin 1,3 Millionen Einwohnern und entsprechend vielen Wirten aller Gewichtsklassen. Dass das Prato Gaio in Montecalvo gleich nach dem letzten Eintrag für Mailand eine Schnecke verdient, erlaube ich mir jedenfalls nach einem Besuch zurückzuweisen.

Der letzte Eintrag vor dem Prato Gaio heißt Trattoria del Pescatore, Nähe Porta Romana, und damit sind wir auch schon wieder mehr oder minder elegant beim Fisch gelandet. Da sollten Sie sich, im Gegensatz zu Prato Gaio, strikt an den Osteriaführer halten. Sonst geht's Ihnen so wie mir. Die rote Fressbibel rät: „Vor allem am Wochenende müssen Sie rechtzeitig reservieren." Ach was, denke ich, der gerade fünf zur Sicherheit lange vorausreservierte, perfekt durchgetaktete Piemonttage hinter sich hatte, sei doch einmal auch beim Essen spontan. Auch wenn's hungrig schwer fällt.

Rohe Abfuhr

Meine Theorie: a) Ein Esser findet überall Platz. Vor allem, wenn er b) eher zeitlich auftaucht oder sehr spät, gemessen an landesüblichen Esszeiten. c) Wenn ein einzelner Esser aber reservieren will, sagt man ihm lieber ab (wenn man nicht gerade vermutet, er kommt von Gault Millau, Veronelli & Co). a) und b) konnte ich im Pescatore in Blitzesschnelle und müde belächelt falsifizieren. Der Wunsch, dann doch bittschön morgen, Freitag, oder Samstagmittag zu reservieren, ließ mich offenkundigen Städtetouristen zumindest c) als Arbeitshypothese aufrecht erhalten: „Frühestens kommende Woche hätten wir Platz für Sie."

Mir auf diese Art die gemeinerweise direkt am Eingang, vor der Bar, der Barriere gegen zugereiste Spontanesser wie mich platzierten, vielenvielen Körbe von ziemlich frisch wirkenden Schalentieren und sonstigem Meeresgezeuch einfach vorzuenthalten, das fand ich ausgesprochen roh.

Martin wartet nicht

Gut, dass kaum 20 Gehminuten von der Trattoria del Pescatore der einen Hauch weniger hymnisch, aber durchaus freundlich beschriebene Martin Pescatore auf mich wartet. Denkste: Der einer chicen Stadt durchaus angemessene Herr Ober murmelt etwas von completo, auch wenn der Laden um 20.45 noch recht licht besetzt wirkt. Essen halt spät, die Italiener, die Städter überhaupt. Aber: Ich kann mich gerne morgen davon überzeugen, wann die Kundschaft hier so eintrudelt - wenn ich verspreche, pünktlich um 20 Uhr aufzutauchen.

Ob sich das Warten und Gewese wirklich gelohnt haben, bin ich noch unschlüssig. Aber: Man isst wirklich nicht schlecht bei Martin, der eigentlich Bruno heißt, und möglicherweise in Grado auf den deutschen Vornamen für seinen italienischen Fischer gekommen ist, er jedenfalls kommt von dort. Frittura dei Gianchetti (oder auch Bianchetti, eher nicht zu verwechseln mit der Trüffel) zum Beispiel: drei sehr teigig-kartoffelige Nester dieser noch nicht einmal blutjungen, winzigen Heringsfische. Die geschmacklich nicht allzu prägnant durch den Teig hervorstechen. Schon fein.

Haarige Angelegenheit

Moscardini hat mir der Herr Küchenchef empfohlen, in dicker, gemüsiger Tomatensauce. Guter Plan, nicht nur, weil sich damals in Padua alle Folpari vor uns versteckt haben, und mit ihnen die kleinen Moschuskraken. Fein waren sie hier, der hellblaue Pulli überstand das Experiment mit der Sauce und den vielen Ärmchen auch unbeschadet. Und das eine lange Haar im roten Meer hab ich erst sehr spät entdeckt und aus dem Weg geräumt. Bestimmt waren die Moscardini nur ungenügend rasiert. Das Personal ignorierte den dekorativ platzierten Kopfschmuck auf dem Tellerrand jedenfalls.

Das Filet vom Branzino, also Spigola hier, mit der Kruste aus kleinen, krossen Kartoffelschuppen war fein, saftig, nichts daran auszusetzen. Um 20.50 Uhr war die mezza bottiglia aus dem Veneto verputzt, und ich wieder draußen, damit ich keinem späten Esser den Tisch versitz.

Welche Pizzeria mich am Vortag vor dem Hungertod bewahrte und wo man in Mailand Knorpel verknuspern kann: demnächst in dieser kleinen, auch reservierungstechnisch dilettantischen Kolumne