Das Debakel rund um die Hypo Group Alpe Adria (HGAA) zieht auch in Bayern immer weitere Kreise. Am Montagabend ist der Chef der BayernLB, Michael Kemmer mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Das teilte die bayerische Staatsregierung nach einer stundenlangen Krisensitzung mit. Kemmer Nachfolger wird sein bisheriger Vize und ehemalige Bank-Austria Finanzvorstand Stefan Ermisch. Kemmer war auch Aufsichtsratschef der notverstaatlichten Hypo gewesen.

Die BayernLB hat wegen ihrer Beteiligung an der angeschlagenen Hypo einen Verlust von 3,725 Milliarden Euro erlitten. Kemmer stand zwar erst seit Frühjahr 2008 an der Spitze der BayernLB. Allerdings war er zum Zeitpunkt des Zukaufs der Bank im Mai 2007 bereits im Bankenvorstand, er war damals für Finanzen zuständig.

Den Montag über wurde klar, dass die gesamte CSU von den Turbulenzen in Kärnten erschüttert wurde. Ministerpräsident Horst Seehofer berief die Krisensitzung der Regierung ein. Er ist fuchsteufelswild und lässt die Schuldigen nun von Anwälten aufspüren. "Die gravierenden Fehler, die gemacht wurden, schaden uns ungeheuer, weil dadurch die Kernkompetenz der CSU in der Wirtschafts- und Finanzpolitik beschädigt wird" , zürnt Seehofer.

Die Kanzlei Hengeler Müller soll den Kauf der Hypo juristisch aufarbeiten. Diese hat den Siemens-Konzern in der Schmiergeld-Affäre vertreten und erstritt vom Siemens-Chef Heinrich von Pierer Schadenersatz in Millionenhöhe.

Die Kanzlei wird CSU-Politiker ins Visier nehmen: den amtierenden Fraktionschef Georg Schmid, Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein sowie die ehemaligen Finanzminister Erwin Huber und Kurt Faltlhauser. Als der Kauf der HGAA beschlossen wurde, gehörten sie alle dem Verwaltungsrat der BayernLB an. "Es kann eigentlich nur sein, dass der CSU-Fraktionsvorsitzende Georg Schmid zurücktreten muss, wie auch Erwin Huber als Vorsitzender des Wirtschaftsauschusses im Landtag" , sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher.

Die derart ins Visier Geratenen reagieren unterschiedlich. Während Beckstein erklärt, der Kauf der Hypo sei "falsch" gewesen, warnt Schmid vor "Vorverurteilungen" .

SPD und Grüne fordern vom Ministerpräsidenten umgehend eine Regierungserklärung. "Seehofer muss erklären, wie es zu den Milliardenbelastungen für den bayerischen Steuerzahler kommen konnte" , meint Rinderspacher.

Versagen auf allen Ebenen

Ein "Versagen der CSU auf allen Ebenen" , konstatiert Grünen-Haushälter Eike Hallitzky. Die Opposition interessiert auch, warum noch während Seehofers Amtszeit Kredite in Höhe von drei Milliarden Euro an die Hypo vergeben wurden.

Bei ihren Auslandsengagements hat die BayernLB nie ein besonders glückliches Händchen bewiesen. 1998 haben sich die Bayern mit 25 Prozent an der Tiroler Sparkasse (Tispa) beteiligt, ihren Anteil später auf 45 Prozent aufgestockt - zu Jahreswechsel 2001/2002 stiegen sie aus.

Inzwischen hatte die Bank kräftig an Wert verloren, 2002 schrieb die Tispa erstmals in ihrer Geschichte Verluste. BeimVerkauf ihres Anteils an die Erste Bank mussten die Bayern kräftige Abstriche machen.

Von 1996 bis 2004 war die Bank an der Bawag beteiligt; von den Karibik-Spekulationsgeschäften (deren Auffliegen das Institut 2006 an den Rand der Pleite bringen sollte) bemerkten sie nichts. 2004 kaufte der ÖGB den Bayern ihre 46 Prozent ab - um (aus damaliger Sicht: wohlfeile) 530 Millionen Euro. 380 Millionen pumpte die BayernLB dem ÖGB, zurück bekam sie das Geld beim Bawag-Verkauf an Cerberus 2007.

2006 schon hatten die Bayern wieder Appetit auf die Bawag bekommen, wurden allerdings vom US-Fonds Cerberus ausgebootet. Das Fatale daran:Nachdem die Bayern weder bei Bawag II noch bei der Berliner Bank zum Zug gekommen waren, verlegten sie sich auf den Erwerb der Hypo Alpe Adria.

Bei der Einholung der aufsichtsrechtlichenGenehmigungen für diesen Kauf bissen sie sich in Zagreb fast die Zähne aus - da rächte sich ihr abrupt beendetes Engagement bei der kroatischen Rijecka Banka. Die hatte die BayernLB 2000 vomStaat gekauft, keine drei Jahre später endete das im Debakel. (Birgit Baumann, Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.12.2009)