
Silvio Berlusconi, schon vor der "Domattacke" Objekt hunderter Protestgruppen auf Facebook. Eine Seite mit 100.000 Mitgliedern wurde jetzt gesperrt. Auseinander-setzungen um Meinungsfreiheit begleiten Facebook seit der Gründung.
Es dauerte weniger als 48 Stunden und knapp 100.000 User, bis Facebook ohne Mitteilung an den Betreiber eine Facebook-Gruppe für Massimo Tartaglia sperrte, der Silvio Berlusconi mit seiner "Domattacke" schwer im Gesicht verletzte. Noch gibt es weitere Seiten und Gruppen, die dem Vorfall gewidmet sind und deren Zulauf sich seit der Sperre beschleunigt hat. Die jetzt meistbesuchte Gruppe hielt Donnerstagnachmittag bei einem Stand von 8500 Mitgliedern, aber "wie viel Zeit haben wir noch?", fragte sich ein User in Erwartung der Zensur-Axt.
Protestgruppen
"Gewalt zu verherrlichen oder Drohungen zu verbreiten ist auf Facebook nicht erlaubt", verteidigte das soziale Netzwerk seine Intervention laut New York Times, "wir werden rasch Maßnahmen ergreifen, um auf entsprechende Berichte zu reagieren" und "Inhalte mit Drohungen" zu entfernen. Silvio Berlusconi gehört zu den Politikern mit der zweifelhaften Ehre, die meisten Protestgruppen auf Facebook hervorgebracht zu haben. Während eine Suche nach Barack Obama derzeit rund 355 Facebook-Seiten produziert, die sich zwischen Verehrern und Gegnern teilen, zeitigt eine Suche nach Berlusconi 489 Seiten, überwiegend dem Protest gewidmet.
Facebook hat in Italien schon mehrfach Prozesse auszufechten gehabt und bereits früher Seiten wie "Lasst uns Berlusconi töten" nach Beschwerden vom Netz genommen. Derzeit muss sich Facebook vor Gericht verantworten, dass es zu langsam auf beanstandete Videos reagiert hätte.
Kritik an Google
Auch an Google kommt derzeit Kritik aus Italien: In diversen Blogs wird die Suchmaschine bezichtigt, ihre Bildsuche von Bildern des blutenden Berlusconis gesäubert zu haben. Google gibt dazu keinen Kommentar ab, allerdings erscheinen solche Bilder sehr wohl bei der Suche nach News, nicht aber in der Bildsuche. Diese sei jedoch chronisch langsam und würde selten aktuelle Bilder liefern, schreibt der kritische britische Tech-Blog The Register, der den Vorwurf der Säuberung eher für ein Gerücht hält.
Auseinandersetzungen um - oft erst nach Zensur bekannte - Facebook-Regeln begleiten das Netz seit langem. In den USA etwa werden Bilder von stillenden Müttern als erotischer Content blockiert; wie häufig finden sich auch Proteste bei Facebook selbst, so bei "Hey Facebook, breastfeeding is not obscene!" mit 248.316 Mitgliedern.
Privatsphären-Einstellungen
Teils heftige Kritik gibt es derzeit an einer Änderung der Privatsphären-Einstellung von Facebook: Offiziell als verbesserter Schutz verkauft, mit dem User genauer bestimmen können, welche Information einsehbar ist, wurde dabei auch das Gegenteil in die neuen Einstellungen geschmuggelt. Facebook-Mitglieder werden jetzt, samt einer Liste ihrer FreundInnen, automatisch auch bei Google-Suchen angezeigt - wenn die Benutzer dies nicht deaktivieren. (spu/DER STANDARD Printausgabe, 18. Dezember 2009)