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Deutschlernen in der Straßenbahn in Calcutta, Indien: An gute Fremdsprachen-Kurse zu kommen, ist mancherorts unmöglich

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Deutschtest vor der Einreise: Was der Ministerrat am Dienstag für Österreich beschlossen hat, gibt es in Deutschland schon längst. Männer und Frauen, die zu ihren EhepartnerInnen nach Deutschland ziehen wollen, müssen im Herkunftsland eine Sprachprüfung bestehen - es sei denn, sie sind EU-BürgerInnen oder Angehörige anderer Industriestaaten (siehe Wissen). 

Auch in Deutschland wurde das Gesetz heftig kritisiert. Vor allem in den türkischen Communities sorgte es für Aufruhr - von einer "lex turca", einem speziell zur Diskriminierung der TürkInnen geschaffenen Gesetz, war die Rede.

Missglückte Kommunikation

Dass es so aufgefasst wurde, liege auch an einer missglückten Kommunikationspolitik, glaubt Gunilla Fincke, Geschäftsführerin des Sachverständigenrats für Migration in Berlin. "Seit 9/11 haben Türken und Araber ohnehin das Gefühl, ständig am Pranger zu stehen." Dass man beim Beschluss des Gesetzes betont hatte, damit Zwangsehen einen Riegel vorschieben zu wollen, habe den Eindruck bestärkt, dass es dabei um ganz bestimmte Gruppen geht. 

"Durchaus integrationsbehindernd"

Und so gesehen wirkte das Gesetz auch "durchaus integrationsbehindernd", was die bereits ansässigen TürkInnen betrifft, meint Fincke, die insgesamt aber eine positive Bilanz zieht: "Das Gesetz hat bewirkt, dass Zuwanderer kompetenter, mündiger und insgesamt besser vorbereitet ins Land kommen." Und dass die Zuwanderungszahlen von zuvor 85.000 Ehegattennachzügen mit der Einführung des Gesetzes 2007 auf 42.000 geplumpst sind, habe sich die Regierung zwar nicht ausgesprochen gewünscht, aber es "zumindest in Kauf genommen". 2008 kamen um 22 Prozent weniger EhepartnerInnen ins Land als vor der Gesetzesänderung, die Zahl der türkischen Nachziehenden sank sogar um ein Drittel.

Ehe braucht Geld

Wird hier das Menschenrecht auf Familienleben auf jene beschränkt, die sich Deutschkurse und Prüfungsgebühr leisten können? "Auch bisher war der Familiennachzug ja nicht völlig abgekoppelt von der Einkommenssituation", relativiert Fincke: Wer nachzieht, muss - wie auch in Österreich - nachweisen, dass er/sie sich selbst erhalten kann. Die Migrationsforscherin räumt jedoch ein, dass es gerade in der Türkei, woher etwa ein Viertel der zuziehenden EhepartnerInnen abstammt, anfangs "eine Reihe von Problemen" gab: Die Versorgung mit Sprachkursen war lückenhaft, das zuständige Goethe-Institut mit dem erhöhten Andrang "etwas überfordert".

Startprobleme

Das bestätigt auch Heidi Trappmann-Klönne vom Goethe-Institut Ankara. Im ersten Jahr nach der deutschen Gesetzesänderung hätte nur ein Drittel der Teilnehmenden die Prüfung geschafft - mangels geeigneter Kursangebote in den ländlichen Gebieten. Die deutsche Bundesregierung schoss jedoch Geld zu, um das Angebot der Nachfrage anzupassen: KursleiterInnen wurden für den Umgang mit "den oft nur knapp alphabetisierten Teilnehmenden" nachgeschult. Private Kursanbietende, sogenannte "Wohnzimmer-Lehrer", die in den ländlichen Regionen die einzige Anlaufstelle sind, wurden eingeladen, sich in Ankara qualifizieren zu lassen - Flug, Kurs, Kost und Logis bezahlte das Goethe-Institut. Die Mühe zahlte sich aus: Heute schaffen immerhin 74 Prozent den Test.

Dürre am Land

Dennoch gibt es Barrieren. LandbewohnerInnen müssen für die Prüfung oft hunderte Kilometer nach Ankara anreisen und ein Hotelzimmer bezahlen. Zwar gibt es seit Neuestem auch Prüfungen in den südöstlich gelegenen Städten Adana und Gaziantep - allerdings nur einmal im Jahr. Und für alle ostanatolischen Einreisewilligen gibt es gar kein Prüfungsinstitut vor Ort. Besonders schwer haben es die BewohnerInnen der Kurdengebiete: In der Gegend rund um den Van-See gebe es gar keine SprachlehrerInnen, sagt Trappmann-Klönne - und nach Ankara sind es 1300 Kilometer. Die Folge: "Wir merken, dass aus dieser Region fast niemand zu uns kommt."

Lern-Erfolge

Hinzu kommt der Kostenfaktor: 990 Lira kostet der Zwei-Monats-Kurs für die Deutschprüfung - der Mindestlohn in der Türkei liegt zurzeit bei 693 Lira. Dass es bei einigen Einreisewilligen am Geld scheitert, "kann ich mir schon vorstellen", sagt Trappmann-Klönne. Dennoch kann sie der Test-Pflicht etwas abgewinnen: Der Sprachkurs zeige den "oft sehr lernungewohnten Teilnehmern", dass sie Bildungserfolge haben können. "Man sieht, dass sie mächtig stolz sind, wenn sie das Zeugnis in der Hand halten." Dieses Gefühl, und "der Eindruck, dass die Deutschlehrer Vertrauen in ihre geistigen Fähigkeiten gesetzt haben", könnte ein positives Deutschland-Bild erzeugen, glaubt Trappmann-Klönne - eine Nebenwirkung des Gesetzes, "die vielleicht wichtiger ist als das Sprachlernen selbst".

Kein Mittel gegen Zwangsehen

Österreichs Innenministerin Maria Fekter scheint in ihrem Vorstoß für die Deutschkurs-Pflicht einiges von Deutschland abgeschaut zu haben. So gab auch Fekter den "Kampf gegen Zwangsehen" und "die Förderung der Integration" anfangs als Grund der Verschärfung an. Dass die Sprachanforderungen an der Zahl der Zwangsehen etwas verändert habe, glaubt Migrationsforscherin Fincke übrigens nicht: Da habe eher die Heraufsetzung des Mindest-Heiratsalters auf 18 Jahre etwas bewirkt.

Diesbezüglich braucht sich Österreich nichts mehr vom nördlichen Nachbarn abzuschauen: Schon bisher musste man 18 Jahre alt sein, um als EhepartnerIn zuziehen zu können - und mit Jahreswechsel sprang das Mindestalter auf 21 Jahre. (Maria Sterkl, derStandard.at, 19.1.2010)