Sehr geehrte Frau Innenministerin ! Ich schreibe Ihnen diesen Brief als Bürgerin und als evangelische Pfarrerin. In dieser Funktion als Mit-Dienstgeberin.

Ihre Vorstellungen von Integration teile ich, was den Spracherwerb betrifft. Nur wer die Sprache des Landes kann, findet eine Arbeit, die das wirtschaftliche Überleben sichert und auch - in den meisten Fällen - davor bewahrt, der Öffentlichkeit zur Last zu fallen. Nur wer die Sprache kann, findet Freunde, kann mit Nachbarn kommunizieren, auf Behörden seine Sache verständlich vorbringen.

Arbeitsfähig sollen sie sein und arbeitswillig. Auch das unterstütze ich im Kontext der Zuwanderung. Im Fall unserer Küsterin und Kindergartenhelferin handelt es sich aber weder um eine Zuwanderin, noch um eine Asylwerberin, sondern um eine Frau, der der Flüchtlingsstatus vor Jahren zuerkannt wurde, hat, mit allen Rechten und Pflichten, die sich daraus ergeben.

Frau Tamriko Tevdoradze ist seit über sieben Jahren in Österreich, spricht ein reines Deutsch und arbeitet seit ca. zwei Jahren in der Pfarrgemeinde im Dritten Wiener Gemeindebezirk, in der ich derzeit als geschäftsführende Pfarrerin verantwortlich bin. Frau Tevdoradze ist seit zwei Jahren mit einem Asylwerber, Herrn Nikoloz Panchulidze, verheiratet. Davor haben sie fünf Jahre in einer Lebensgemeinschaft gelebt. Auch er spricht gut Deutsch, wenn auch nicht so gut wie seine Frau.

Herr Panchulidze ist der zweite Mann unserer Küsterin. Der erste wurde in Georgien getötet, sie entkam demselben Schicksal durch Flucht, was ja auch im Asylverfahren anerkannt wurde und in einen positiven Asylbescheid mündete.

Ihr zweiter Mann wurde nun am 14.12. um 22.30 Uhr in Schubhaft genommen, "zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung, der Abschiebung". (Bescheid Zl III-1122935/FrBZJ/09)

Als Begründung, dass nicht ein gelinderes Mittel als die Schubhaft angewandt wird, steht in oben genannten Bescheid: "Sie wurden im Bundesgebiet ohne Unterstand angetroffen" (S. 1) und "..da Sie über nicht ausreichende familiäre oder soziale Integration verfügen" (S.2).

Ich verstehe die Anwendung dieses Mittels und die Argumentation in diesem Bescheid nicht im Kontext mit Herrn Panchulidze:

Q Er ist ordnungsgemäß bei seiner Frau gemeldet.

Q Sie verdient genug, um ihn und sich zu erhalten. (Unsere frühere Küsterin hat mit demselben Gehalt ihren studierenden Mann und zwei kleine Kinder erhalten).

Q Es wurde in den letzten Monaten zweimal in der ehelichen Wohnung von der Polizei kontrolliert, ob er an der Meldeadresse auch wirklich wohnt und ob er tatsächlich mit seiner Frau in ehelicher Gemeinschaft lebt. Dies wurde positiv beurteilt.

Q Er hat immer wieder im Rahmen des Möglichen hier legal gearbeitet, ist seit sieben Jahren in Österreich und spricht gut Deutsch.

Nun soll er also abgeschoben werden. Was nützt es, einer Frau, die Schlimmes durchgemacht hat, Asyl zu gewähren, und ihr danach ein Leben in einer neuen Beziehung unmöglich zu machen. Frau Tevdoradze wurde von ihrem ersten Ehemann als sehr junge Frau durch einen gewaltsamen Tod getrennt. Nun steht sie vor der Situation, ein zweites Mal ihren Ehemann zu verlieren. Diesmal ist es die Republik Österreich, die diese Trennung vollzieht.

Ich bitte Sie herzlich , zu den von Ihnen für notwendig befundenen rechtlichen Regelungen auch dafür zu sorgen, dass diese Regeln differenziert angewandt werden, dass bei notwendigen Maßnahmen immer die gelindesten Mittel ergriffen werden und dass Situationen in ihrem Gesamtbild betrachtet und beurteilt werden, also auch das mitbetroffene Umfeld in der Abwägung der Entscheidungen miteinbezogen wird. (Christine Hubka/DER STANDARD-Printausgabe, 22.12.2009)