Foto: Jonathan Fischer

Über den Münchner Jonathan Fischer (dringend empfohlener Link!!!) habe ich einmal ein schönes Porträt gelesen. Weiß nimmer genau wo. Es war entweder in einem Blog von einem Münchner-Szene-Menschen oder in der "Süddeutschen", für die Fischer - neben dem "Spiege", der "Zeit" und anderen Medien - immer wieder über Musik schreibt, Schwerpunkt: People who are darker than blue. Darin war über seine Liebe zum Boxen zu lesen, seine Malerei und natürlich sein Interesse für schwarze Musik. 

STANDARD-Leser werden die regelmäßigen Heiligsprechungen seiner relativ beispiellosen Kompilationen kennen, die selbst in einschlägigen britischen Fachzirkeln, also bei den Soul-Taliban, wohlwollend abgenickt werden. Von "Dirty Laundry" (schwarzer Country) über "Down and Out - the Sad Soul of the Deep South" (genau das!) oder "In Prison - Afroamerican Prison Music from Blues to HipHop" reicht da die Themensetzung - und noch weiter: Blues, Soul, Funk, HipHop, House, afrikanische Folksmusik, kubanischer HipHop - Jonathan kennt sich aus.

Ich habe ihn anlässlich einer Präsentation von "Overcome", einer zweiteiligen CD-Serie, die wie alles von ihm beim renommierten Trikont-Label erschienen ist, in Wien kennen gelernt. Schnitzel und Bier. Das war vor Jahren (Fehlfarben) - und seitdem treffen wir uns selten, aber regelmäßig. Meistens via DJ-Austauschprogramm: Er in Wien oder ich in Munich. Schon beim ersten Treffen war uns beiden schnell klar, das passt. Verbindende Zauberworte wie O.V. Wright, Bobby Bland, Memphis, Tennessee, Stax und dergleichen Gelübde verdeutlichten eine geteilte Liebe für Deep Soul und seine Geschichte(n).

Zuletzt hab ich ihn heuer in München getroffen, im Frühsommer. Da hat er mich zu einem seiner regelmäßigen Soul-Clubs als DJ eingeladen. In einer Hütte namens Pimpernell, einem ehemaligen Schwulenclub, in dem früher Freddie Mercury oder Fassbinder abgehangen sind und der heute, zart renoviert, als Club dient. Der war bummvoll, und man muss sagen, die Münchner sind weniger Soul-resistent als die Wiener.

Nachdem ich im rückblickenden Listen-Wahn des zu Ende gehenden Jahres bemerkt habe, wie wenig Black Music bei mir vorkommt, habe ich mir gedacht, ich frag gleich den Jonathan um eine Liste. Die hat er abgeliefert, und sie verdeutlich auch gleich die Breite seines Geschmacks und Horizonts. Genau so, wie ich es erhofft und erwartet hatte.

Ladies and Gentlemen: Jonathan Fischer's "Best Of Black Music 2009 Top 20"

Charles Wilson: Troubled Child
(voll orchestrierter Southern Soul, so gut wie Johnny Taylor wenn er in Hochform war)
Raphael Saadiq: The Way I See It
(ein paar starke Nummern, auch wenn ich dann doch lieber zu den Motown-Originalen greife)
Anthony Hamilton: The Point Of It All
(der größte Soulsänger der Gegenwart, da stimmten mir selbst Raphael Saadiq und  Questlove zu. Wer's nicht glaubt: In das Bill Witherhafte Gospelstück "Prayin For You" reinhören)  
Irvin Mayfield & New Orleans Jazz Orchestra: Book One
(Big Band Suiten, sehr sophisticated, dunkel und soulful)

DJ Hell: Teufelswerk
(The Angst mit den filigranen in Minimal-Techno übergeführten Gitarren - was für ein Brecher)
Staff Benda Bilili: Tres Tres Fort
(kongolesischer Folk trifft auf James Brown Grooves)
Calle 13: Los De Atras Vienen Conmigo
(Witzig, leicht, funky: der inspirierteste Reggaeton-HipHop der Gegenwart)
Lee Fields: My World
(Schon diese Stimme! eine New Yorker Retro-Funk Combo passt den alten Mann perfekt ein)
Bronx River Parkway: San Sebastian
(New York Latin Boogaloo mit leichtem HipHop-Einschlag)
Tony Allen: Secret Agent
(subtil swingender Afrobeat)
Q-Tip: The Renaissance
(klingt wie die alten A Tribe Called Quest im Buddhisten Camp)

Speech Debelle: Speech Therapy
(Tracey Chapman für die Generation HipHop)
Raekwon: Only Built For Cuban Linx II

(das musikalisch differenzierteste HipHop Album des Jahres klingt so wie Wu Tang vor 15 Jahren - was das wohl über den Zustand des Genres aussagt?)
OC & AG: Oasis
(noch ein Throwback in die goldenen HipHop-90er nach New York)
Jay Dilla: Jay Stay Paid
(ein paar posthum ausgegrabene Produktionen der Legende)
Blakroc: Blakroc
(entspannte Raps fläzen sich auf live-eingespielten Blueswalzen)
Joss Stone: Colour Me Free
(70s Soul-lastig, angenehm erdiger als die Zuckerbäckereien von Alicia Keys und dem Rest der Rhythm'n Blues Konkurrenz - nur warum diese lästigen Rockgitarren zwischendurch?)
Brother Ali: Us
(der einzige Rapper, dessen Texte ich mir auch ohne Musik durchlesen würde)
Ghostface Killah: Ghostdini - Wizard Of Poetry
(der alte Gangster macht auf verliebt - irgendwie putzig )
Gilles Peterson Presents Havana Cultura
(endlich jemand, der die aktuelle HipHop-Szene Havannas mit guten Live-Musikern ins Studio holt)
(Karl Fluch, derStandard.at, 23. 12. 2009)

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