Von Innenministerin Maria Fekter (VP) befürchtet Michael Bünker "ein ganz besonderes Weihnachts-geschenk" , hofft aber weiter auf ein eigenes Integrations-Staatssekretariat.

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DER STANDARD: Sie haben gemeint, dass eine Moschee oder ein Minarett durchaus "ein Zeichen gelungener Integration" sein kann. Wie das Schweizer Votum zeigt, teilen viele nicht Ihre Ansichten ...

Bünker: Die Schweizer Kirchen und Religionsgemeinschaften waren auf jeden Fall für die Möglichkeit des Minarett-Baus und gegen ein Verbot. Mit dem entscheidenden Punkt, ob man grundrechtlich abgesicherte Minderheitenrechte durch Mehrheitsentscheidungen zur Frage machen kann, beschäftigen sich ja derzeit ohnehin die Gerichte. Ich bin aber auf jeden Fall der Meinung, dass das Minderheitenrecht auf jeden Fall eine Rolle spielen muss. Sachlich geht es aber um die Frage, welche Rolle Religion in Zusammenhang mit Migration und Integration spielt.

DER STANDARD: Ist man in Österreich toleranter?

Bünker: Nein, ich fürchte nicht.

DER STANDARD: Sie haben in diesem Zusammenhang von ‚aggressivem Atheismus‘ gesprochen. Was haben Sie damit gemeint?

Bünker:  Es gibt eine Bewegung in Europa, die sagt, Religion im öffentlichen Raum ist schädlich, sie soll Privatsache sein. Damit täte sich die Gesellschaft nichts Gutes.

DER STANDARD: Bis 1861 war es ja auch Ihrer Glaubensgemeinschaft untersagt, Kirchen mit Türmen zu bauen und Glocken zu läuten. Spiegelt sich diese Erfahrung in Ihrer Position wider?

Bünker: Natürlich. Man sieht daraus, dass sich Österreich traditionell schwertut mit Andersdenkenden und Andersgläubigen - mit Minderheiten überhaupt. Und das hat tiefe historische Wurzeln. Goethe hat schon gesagt ‚Toleranz heißt Missachtung‘. Und das wollen wir nicht - weder missachtet werden, noch andere missachten. Aber noch einmal ganz klar: Wir haben in Österreich leider ein vererbtes Problem mit Religion im öffentlichen Raum.

Standard: Aber ist nicht eine Islamisierung Europas zu erwarten? Verstehen Sie, dass Ängste da sind?

Bünker: Natürlich gibt es eine gewisse Unsicherheit. Wir kennen halt den Islam einfach zu wenig. Die Islamophopie konzentriert sich sehr stark auf eine bestimmte Form und bestimmte Gruppen - das wird dann sehr gern verallgemeinert. Tatsache ist aber, dass der Islam zu einer der mittelgroßen Religionen wird oder schon geworden ist.

DER STANDARD: Was muss passieren, um den Menschen die Angst vor dem Islam zu nehmen?

Bünker: Es braucht viel mehr an Begegnung und Information. Da blicke ich dankbar auf viele evangelische und natürlich auch katholische Pfarrgemeinden, die solche Begegnungs-Foren darstellen.

DER STANDARD: Von einigen grünen Politikern wurde ein Verbot der Burka gefordert. Wie sehen Sie das?

Bünker: Zuerst muss man einmal sagen, dass das doch ein marginales Problem ist. Wie viele Frauen sehen wir in Österreich, die eine Burka tragen. Aber bei der Burka bin ich in der Tat anderer Meinung als beim Minarett. Wenn die Burka dazu dient, eine Nichtgleichberechtigung der Frauen auszudrücken, dann wäre ich dafür, alles dafür zu tun, dass diese Frauen Gleichberechtigung sichtbar leben können. Man kann also über die Burka diskutieren.

DER STANDARD: Also sind Sie für ein Burkaverbot?

Bünker: In bin für die Gleichberechtigung der Frauen ...

DER STANDARD:  ... was jetzt nicht die Antwort auf die Frage ist.

Bünker: Wenn die Burka ein Symbol für Unterdrückung ist, dann bin ich durchaus auch für ein entsprechendes Verbot in Österreich.

DER STANDARD: Innenministerin Maria Fekter (VP) hat jüngst ein Integrationskonzept vorgestellt. Einer der zentralen Punkte darin sind verpflichtende Deutschkenntnisse bereits vor dem Zuzug. Wie beurteilen Sie dieses Konzept?

Bünker: Noch kennt man es nicht im Detail. Aber es wird ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Art. Für mich ist so ein Konzept unrealistisch. Vor allem weil es nicht mit einem Anreizsystem verbunden ist, sondern mit einem Sanktions- und Bedrohungssystem. Und so soll Integration funktionieren? Das Thema Integration wird leider immer unter zwei Vorbehalten behandelt. Einerseits der Generalverdachts des Missbrauchs, andererseits die Hintergrundstimmung der Kriminalität. Das ist schief, und deswegen sind wir mit den Hilfsorganisationen der Meinung, das gehört nicht ins Innenministerium.

DER STANDARD: Hat sich die Situation mit der jetzigen Regierung Ihrer Meinung nach verschlechtert?

Bünker: Es hat sich beständig verschlechtert und verschlechtert sich weiter. Da werden wir noch dramatische Situationen erleben. Solange es nicht, und da muss man die gesamte Regierung in die Verantwortung nehmen, als Querschnittsmaterie gesehen wird, wird es immer schwierig bleiben. Man kann da nur die Forderung nach einem eigenem Integrations-Staatssekretariat erneuern.

DER STANDARD: Eine stetig wiederkehrende Diskussion ist das Kreuz im öffentlichen Raum. Wie stehen Sie dazu?

Bünker: Es gibt dazu bei uns eine gewisse Vielfalt. Unsere reformierte Schwesterkirche etwa hat keine Kreuze in den Kirchenräumen. Für mich ist das Kreuz ein Symbol mit einer großen Bedeutung. Uns ist wichtig, dass Religion im öffentlichen Bereich, also auch der Schule, präsent sein kann. Das hängt nicht an Symbolen.

DER STANDARD: Sie treten vehement für eine völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften ein, für eine öffentliche Segnung oder eine Art Trauung gibt es in der evangelisch-lutherischen Kirche aber nach wie vor keinen Konsens. Wo liegen da konkret die Probleme?

Bünker: Die Frage der Bewertung der Homosexualität ist derzeit in den Kirchen ein Spaltpilz. Das ist weltweit so, etwa bei der anglikanischen Kirche sieht man das ganz deutlich. Bei uns in der lutherischen Kirche ist der Konsens derzeit der, dass wir sagen, es soll eine rechtliche Gleichstellung geben. Darüber gibt es keine Verwerfungen. Umstritten ist hingegen die Frage, ob es so etwas wie eine öffentliche kirchliche Segnung homosexueller Paare geben soll. Persönlich hätte ich aber nichts dagegen, aber für unsere Kirche ist das derzeit nicht entscheidbar.

DER STANDARD: Bereits unter Johannes Paul II. hat sich im Bereich der Ökumene nur sehr wenig bewegt, unter dem neuen Papst Benedikt XVI. wurde Ihrer Kirche gleich zu Beginn des Pontifikats recht deutlich klargemacht, wem die Vormachtstellung gehört. Entspricht der aktuelle Zustand Ihrem Idealbild einer funktionierenden Ökumene?

Bünker: In Österreich ist es ein sehr vertrauensvolles und stabiles Miteinander. Weltweit bedeuten die Signale aus Rom eher einen Rückschritt. Besonders bedenklich stimmt mich das Angebot an die verdrossenen Anglikaner in die römisch-katholische Kirche zurückzukehren. Wir sind eigentlich doch davon ausgegangen, dass Rom seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil der sogenannten Rückkehr-Ökumene eine Absage erteilt hat.

DER STANDARD: Wünschen Sie sich für Ihre Kirche nicht auch manchmal einen Papst?

Bünker: Niemals. Es geht auch ohne Papst ganz gut - da ist doch unsere Kirche das beste Beispiel dafür. (Alexandra Föderl-Schmid und Markus Rohrhofer/DER STANDARD-Printausgabe, 24. Dezember 2009)