Peking - Die Charta 08 ist ein von chinesischen Intellektuellen ausgearbeitetes Manifest, das zu politischen Reformen und mehr Demokratie in der Volksrepublik aufruft. Sie wurde am 10. Dezember 2008 anlässlich des 60. Jahrestags der Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte veröffentlicht. Ihr Name ist eine Anlehnung an die berühmte Charta 77, mit der in den 70er Jahren Dissidenten in der Tschechoslowakei Kritik an der kommunistischen Führung übten.

Zunächst unterstützten 300 Oppositionelle die Charta 08, darunter auch der prominente Bürgerrechtler und Mit-Autor Liu Xiaobo, der nun wegen Subversion zu elf Jahren Haft verurteilt wurde. Inzwischen ist die Zahl der Unterzeichner auf mehr als 10.000 angestiegen. "China hat viele Gesetze, aber keine Rechtsstaatlichkeit", heißt es in dem Dokument. "Es hat eine Verfassung, aber keine verfassungsmäßige Regierung." Die Führung des Landes klammere sich an ihre "autoritäre Macht" und bekämpfe "jeden Schritt zu einem politischen Wandel".

"Demokratisierung in China kann nicht aufgeschoben werden"

Gefordert werden in der Charta 08 Meinungs- und Redefreiheit sowie die Freiheit der akademischen Lehre, Gewaltenteilung, Demokratie und eine neue Verfassung. "Wir sollten mit der Praxis brechen, Worte als Verbrechen anzusehen", erklären die Autoren. Zudem ruft das Manifest dazu auf, den Vorwurf der Untergrabung der Staatsgewalt aus dem Strafgesetz zu streichen - gerade unter diesem Anklagepunkt aber wurde Liu der Prozess gemacht.

Ähnlich dem Vorbild Südafrikas nach dem Ende der Apartheid regt die Charta 08 die Einrichtung einer Wahrheitskommission an, die politische Repressionen der Vergangenheit aufarbeiten und sich für die Entschädigung der Opfer einsetzen soll. Als politisches System schlägt das Manifest eine "föderative Republik" vor. Das würde mehr Rechte für Minderheiten bedeuten. "Die Demokratisierung der Politik in China kann nicht länger aufgeschoben werden", proklamiert die Charta 08. (APA)