Wien (APA) - Der kroatische Staatspräsident Stjepan Mesic hat ebenso wie Regierungschefin Jadranka Kosor die Völkermord-Klage Serbiens gegen Kroatien vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) als unbegründet zurückgewiesen. "Die Gegenklage Serbiens hat keine Grundlage", sagte Mesic zu Jahresbeginn anlässlich eines Besuchs in Wien. "Doch während des Prozesses kann über alles gesprochen werden."

"Wir haben nach dem Krieg gegen Serbien eine Genozidklage eingebracht", erläuterte Mesic die Position seines Landes. "Wir waren Opfer einer brutalen Aggression und wir waren der Ansicht, dass der Internationale Gerichtshof darüber entscheiden sollte. Unser Militär ist nicht über die Grenze hinausgegangen. Unser Heer hat niemanden in Serbien umgebracht. Unsere Bürger haben in Serbien kein einziges Kriegsverbrechen begangen. Doch viele unserer Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht."

Kriege "fast" aufgearbeitet

Generell seien die Kriege im ehemaligen Jugoslawien "fast" aufgearbeitet, sagte der Präsident. Allerdings seien noch "Rückschläge" zu verarbeiten. "Die Flüchtlinge sind noch nicht alle zurückgekehrt. Es liegt in unserem Interesse, dass diejenigen, die nach Serbien geflüchtet sind, zurückkommen. Das sind Serben, die während des Krieges nach Serbien gegangen sind. Doch das sind unsere Staatsbürger, sie sind genauso Opfer des Krieges und sie sollten zurückkommen. Mehr als die Hälfte ist schon zurückgekehrt."

Die Beziehungen zu Serbien schätzte Mesic, dessen Amtszeit im Februar ausläuft, an sich als gut ein. Allerdings habe sich "das Verhältnis abgekühlt", nachdem Kroatien den Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt hat. Den diesbezüglichen Schritt Kroatiens begründete Mesic folgendermaßen: "Kosovo war ein konstitutives Element der jugoslawischen Föderation. Diese Föderation existiert nicht mehr. Man hätte den Status des Kosovo feststellen sollen. Serbien hatte nach dem NATO-Angriff keine Kapazität, eine Herrschaft im Kosovo herzustellen, aber auch keine Kapazität, um weiter zu verhandeln." Dann habe der Kosovo "nach allen demokratischen Regeln" die Selbstständigkeit erklärt. "Und wir haben sie anerkannt. "

Serbien klagt Kroatien

Die serbische Regierung hatte am Donnerstag den Beschluss gefasst, Kroatien wegen Genozids an kroatischen Serben während des Krieges 1991-1995 beim Internationalen Gerichtshof (IGH) zu klagen. Die Klage bezieht sich laut Medienberichten auf Kriegsverbrechen an Serben in Gospic, Sisak, Karlovac, Osijek, im Raum Medak, aber auch während der kroatischen Wiedereroberungsoperationen "Blitz" und "Sturm" im Jahr 1995.

Kroatien hatte seinerseits schon 1999 vor dem IGH eine Völkermordklage gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) eingereicht, die von diesem Gericht im Jahr 2008 angenommen worden war. Darin wird Serbien beschuldigt, mit sogenannten ethnischen Säuberungen und schwersten Kriegsverbrechen Völkermord begangen zu haben. Im Krieg sind nach Zagreber Darstellung wenigstens 20.000 Kroaten umgekommen. Ein Urteil steht noch aus.

Mesic bei Neujahrskonzert

Mesic war am Freitag Gast von Bundespräsident Heinz Fischer beim diesjährigen Neujahrskonzert. Der Besuch des scheidenden kroatischen Staatsoberhaupts gab laut Präsidentschaftskanzlei Gelegenheit für einen bilateralen Gedankenaustausch. Er umfasste am Nachmittag auch einen Empfang bei der Vienna Insurance Group (VIG, Wiener Städtische) im Ringturm.

Mesic hatte im Februar 2000 die Nachfolge des im Dezember 1999 verstorbenen Präsidenten und Staatsgründers Franjo Tudjman übernommen, im Jahr 2005 war er in einer Stichwahl gegen die heutige Regierungschefin Kosor im Amt bestätigt worden. Nach zwei Amtsperioden darf er bei den aktuellen Präsidentenwahlen nicht mehr antreten. Die Entscheidung über seine Nachfolge fällt am 10. Jänner in einer Stichwahl zwischen Ivo Josipovic und Milan Bandic.

Während Josipovic der offizielle Kandidat der oppositionellen Sozialdemokraten (SDP) ist, wurde Bandic aus der SDP ausgeschlossen, nachdem er seine eigenständige Bewerbung angekündigt hatte. Laut Medienberichten könnte Bandi, der auch Bürgermeister der Hauptstadt Zagreb ist, nun mit anderen unzufriedenen SDP-Politikern eine eigene "Sozialdemokratische Bewegung Kroatiens" (Sozialdemokratski pokret Hrvatske) gründen. (APA)