Wien - Verärgert ist der neue Generalsekretär der Caritas, Bernd Wachter, über die ständig wiederkehrende "Hängematte-Diskussion" im Zusammenhang mit Sozialleistungen. Der ÖVP-Vorschlag eines Transferkontos bereite ihm "gewisse Sorgen", sagt Wachter. Wenn man sich anschaue, wie schnell Banken-Rettungspakete und Schrottprämie auf die Beine gestellt wurden, gleichzeitig aber die Mindestsicherung immer wieder aufgeschoben werde, müsse man sich fragen, "ob der Regierung die Menschen nicht mehr wert sind als Autoschrott". Scharfe Kritik übt der Caritas-Generalsekretär auch am Umgang mit dem Thema Asyl, das aus seiner Sicht "lösbare wäre", aber immer wieder zur Ablenkung von anderen Problemen aufs Tapet gebracht werde.
Angesichts dessen, dass die Zahl der Menschen, die in Österreich in manifester Armut leben, von 2007 auf 2008 um 100.000 auf 500.000 gestiegen ist und insgesamt eine Millionen Menschen armutsgefährdet ist, hofft Wachter, dass der immer wieder aufgeschobene Termin zur Einführung der Mindestsicherung kommendes Jahr im Herbst hält. Die Caritas fordert allerdings eine höhere Unterstützung als die geplanten 744 Euro zwölfmal im Jahr, immerhin liege die Armutsgefährdungsschwelle bei rund 950 Euro. Geht es nach der Caritas, sollen es zumindest 855 Euro sein. Dass die "soziale Hängematte" immer auftauche, wenn es um Sozialleistungen gehe, ärgert Wachter: "In Österreich werden noch immer die Armen bekämpft und nicht die Armut."
One-Stop-Shop und Mindestsicherung
Er plädierte für die Einrichtung eines One-Stop-Shops sowie die Koppelung der Mindestsicherung an das AMS und damit an die Entwicklung von Perspektiven für die Betroffenen. Es sollte alles auf einen Tisch konzentriert werden und die Menschen nicht von einer Stelle zur nächsten "betteln geschickt werden", um am Ende bei der Caritas zu landen. Aber "Menschen in Armut verfügen über keine Lobby", so Wachter.
Kritik übt Wachter auch am Umgang mit dem Thema Asyl. Dieses wäre "von der Größenordnung lösbar", man könne aber den Eindruck gewinnen, dass die Politik versuche, mit diesem emotionalbesetzen Thema Ängste zu schüren und von Großbaustellen wie Armut und Integration abzulenken. Auch bei der Debatte um das geplante Erstaufnahmezentrum in Eberau müsse man klar machen, worum es gehe, nämlich um schutzsuchende Menschen und um konkrete Schicksale. Oft habe man jedoch den Eindruck, dass es der Politik um eine "möglichst optimale Verdrehung und Angstmache" gehe.
Rechtsberatung für Flüchtlinge
"Nicht haltbar" ist für den Caritas-Generalsekretär, dass Rechtsberatung für Flüchtlinge de facto nicht mehr vorhanden sei. Das Innenministerium hatte den drei großen Hilfsorganisationen Caritas, Diakonie und Volkshilfe Förderungen für diesen Bereich gestrichen. Laut Wachter ist es daher nicht klar, ob die Caritas nächstes Jahr in der Rechtsberatung weitermachen wird. Er hoffe jedenfalls, dass dieser "unwürdige Zustand" mit dem geplanten neuen Erstaufnahmezentrum beseitigt werde.
Unzufrieden ist er mit dem von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) präsentierten Integrationsplan. Integration liege in der Verantwortung der gesamten Regierung und betreffe mindestens vier Ministerien, denn sie umfasse viele Bereiche - allen voran Arbeitsmarkt, Bildung, Familie und Soziales. In Fekters Plan dominiere hingegen "der absolute Problemfokus", Potenziale würden nicht berücksichtigt.
Für das Jahr 2010 wünscht sich der neue Caritas-Generalsekretär ein energisches Vorgehen bei der Armutsbekämpfung im In- und Ausland, die Umsetzung des im Regierungsprogramm bereits festgeschriebenen Pflegefonds sowie klare Maßnahmenpakete und Zuständigkeiten im Bereich Integration. (APA)