Am 22. 12. fährt Familie V. mittels Nachtzug von Wien nach Berlin. Die Tickets sind gekauft, der D406 "Chopin" fährt um 22.23 Uhr von Wien-Meidling ab - seit dem Abriss des Südbahnhofs die zentrale Zugstation der Hauptstadt. Dass es hier keine Gepäckwagerln gibt, betrübt auch die Dame vom "ÖBB-Info-Point": "Ich kann's nicht glauben - der Chef hat sie vor drei Jahren beantragt, bis heute warten wir drauf."

Angesichts dieser Verspätung fällt jene des "Chopin" fast gar nicht ins Gewicht - egal, ob es "4 Min." sind, wie die Anzeigentafel um 22.06 Uhr vermeldet, oder doch "51 Min.", die um 22.11 Uhr angekündigt werden, oder auch "64 Min.", die um 23.15 Uhr projektiert sind. Mit einer guten Stunde Verspätung rollt "Chopin" schließlich ein. Jetzt erst gibt es die echte Überraschung: Der Schlafwagen, der auf der Reservierung von Familie V. angegeben ist, existiert gar nicht: "Den haben die Tschechen nicht angehängt" , erklärt der Schaffner in vorweihnachtlichem Reizton, "eventuell holen S' das in Breclav nach". Was, irgendwann in tiefer Nacht, tatsächlich geschieht.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Familie V. bei den ÖBB angefragt hat, ob da nicht eine Entschädigung fällig wäre. Ja doch, kommt die Antwort aus dem Reklamationsbüro, machen wir: Sechs Euro pro Kopf und Nase können für die entstandenen Unannehmlichkeiten ersetzt werden. In Form von Gutscheinen natürlich, für die nächste gute Reise. (Severin Corti, DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2010)