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Drei Tage vor dem Start der spanischen EU-Präsidentschaft herrschte Narrentag in Alicante. Nach altem Brauch wird mit Mehl und Eiern herumgepatzt. Das dient dem guten Zweck, fast wie in der EU.

Foto: APA/EPA/Morell

Schon jetzt steht fest: Die nationalen EU-Ratsvorsitze sind die Verlierer. Die EU wird präsidialer in vieler Hinsicht.

Wien/Madrid/Brüssel – Vor wenigen Tagen wurde die Terrorwarnstufe in Spanien vom Innenministerium auf die zweithöchste Stufe – Level 2 – gesetzt: "Erhöhte Wachsamkeit" gilt für das Land, das seit 1986 der Europäischen Union angehört und seither eine beeindruckende wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufbau- und Integrationsarbeit vorzuweisen hat, aber nicht (nur) aus Sorge vor Anschlägen baskischer Terroristen.

Oder vor möglichen Attacken der Al-Kaida, was nach der Entdeckung gravierender Sicherheitslücken in der EU-Hauptstadt Brüssel und dem missglückten Anschlag auf ein US-Flugzeug inDetroit zu Jahresende auch die belgischen Behörden umtreibt.

Wenig zu gewinnen

Verdammt aufpassen heißt es im politischen Sinne vor allem für den spanischen Regierungschef José Luis Zapatero. Am 1. Jänner hat die Regierung des 49-Jährigen den Vorsitz in der EU übernommen. Und der ist voller institutioneller Tretminen, Fallen, Fettnäpfchen. Spanien sollte als "ehrlicher Makler" für sechs Monate das Geschick der gesamteuropäischen Politik lenken und führen. Traditionell ist das ein prestigeträchtiger Job, der viele Chancen auf Profilierung beim Bürger und Wähler bietet, auch auf nationaler Ebene. Und Zapatero muss sich bald Neuwahlen stellen. Sein Land steckt mit mehr als 20 Prozent Arbeitslosigkeit, einer Neuverschuldung von knapp 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in einer Existenzkrise, ökonomisch nicht weit entfernt von den Horrorzahlen aus Griechenland, die die Union aufgeschreckt haben.

Aber Zapatero und seine sozialistische Regierungsmannschaft mit Außenminister Miguel Angel Moratinos als Drahtzieher haben leider Pech: Sie können kaum gewinnen. Profilieren wollen sich andere, die dafür auch mehr Mittel haben.

Denn in der Union gelten seit 1. Dezember ganz andere Spielregeln. Eine "rotierende" EU-Präsidentschaft durch ein Mitgliedsland ist nicht mehr, was sie jahrzehntelang war – ein Werkzeug für einen Nationalstaat, um sechs Monate lang zu gestalten und politische Schwerpunkte zu setzen, den anderen zu zeigen, was es kann. Mit dem gültigen Vertrag von Lissabon gibt es nun einen ständigen Präsidenten des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs der Union, des höchsten EU-Gremiums: Herman van Rompuy, einen belgischen Konservativen.

Und es gibt eine zweite starke "Institution" , die neue EU-Außenministerin Catherine Ashton, britische Sozialistin, die gleichzeitig Vizepräsidentin der EU-Kommission sein wird. Also ein machtpolitischer Gegenpol zum konservativen Präsidenten José Manuel Barroso aus Portugal. Noch ist nicht ganz klar, wie die beiden ihre Ämter anlegen werden. Rompuy hat für Februar bereits einen ersten EU-Sondergipfel angekündigt. Großes Thema: die Zukunft von Europas Wirtschaft.

Ashton muss vorsichtig sein. Sie muss sich erst noch einer Anhörung im Europäischen Parlament stellen und dann gewählt werden. Die Anhörung am 11. Jänner könnte gleich einmal platzen. Denn die EU-Beamten haben Streiks angekündigt, weil der Ministerrat ihnen die gesetzlich zustehende Gehaltserhöhung von 3,7 Prozent halbiert hat – man wird sich vor dem EU-Höchstgericht in Luxemburg treffen.

Wie immer das ausgeht, so erfolgreich wie die letzte "alte" , die schwedische EU-Ratspräsidentschaft unter Premier Fredrik Reinfeldt, kann die spanische nie werden. Denn Ashton wird die Außenpolitik an sich ziehen. Moratinos hat das Nachsehen. Zapatero kündigte daher schon an, wie er es anlegen wird: mit "Demut und Bescheidenheit" . Rompoy jedenfalls macht Druck: Die neue EU gemäß dem Vertrag vonLissabon werde "rasch und rigoros" umgesetzt werden, schrieb er in einem gemeinsamen Beitrag mit Zapatero in El País am Sonntag. Mit "absoluter Loyalität und im Geiste der Kooperation" werde man die neue Führungsstruktur in der Union etablieren. Will heißen: Der Chef heißt Rompuy. Der wird von den Regierungschefs dirigiert, nicht von der Kommission, nicht vom EU-Parlament, nicht von der rotierenden EU-Teampräsidentschaft mit Spanien bzw. Belgien und Ungarn, die nachfolgen werden. (Thomas Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2010)