Nach weiteren Demonstrationen im Iran hat sich der Sohn des jüngst verstorbenen oppositionellen Großayatollahs Hossein Ali Montazeri zu Wort gemeldet. Der Iran sei an einem Scheideweg angelangt. "So kann es nicht weitergehen" , warnte Said Montazeri in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel. "Welche Form unsere zukünftige Gesellschaftsordnung hat, ist nicht so wichtig. Es kann eine Islamische Republik, eine laizistische Republik, von mir aus auch eine Monarchie sein" , sagte der 47-Jährige. "Wichtig ist nur, dass die Menschen in Freiheit und Wohlstand leben können. Dass sie sich frei bewegen können, dass ihre Stimmen Gehör finden."

Bezüglich der jüngsten Unruhen im Iran erklärte Montazeri, dass diese "von den Staatsorganen zu verantworten" seien. Die Oppositionellen "wollten für ihre legitimen Interessen demonstrieren, sie sind von der Staatsseite provoziert worden" . Die iranische Regierung hat seit einer Woche hunderte Menschen verhaftet. Montazeri warnte vor den "katastrophalen Folgen" , sollte der iranische Oppositionsführer Mir-Hossein Mussavi getötet oder verhaftet werden. Die Erschießung von Mussavis Neffen bei einer Demonstration vor wenigen Tagen sei "ohne Zweifel eine gezielte Aktion" gewesen, sagte Montazeri. Sie sei "von langer Hand geplant" worden und möglicherweise als "eine Art letzter Warnung" an Mussavi gedacht gewesen.

Wandel der Meinung

Nach dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte hatte Mussavi am Freitag die Führung in Teheran aufgerufen, die Repressionen zu beenden. Wenn die Führung nicht eingestehe, "dass es im Land eine schwere Krise gibt", könne sie die Probleme auch nicht bewältigen. Mit Festnahmen, "eurer Gewalt, euren Drohungen, euren Schließungen von Zeitungen und anderen Medien" könne sie vielleicht die Lage beruhigen. "Aber was sagt das über die Art aus, in der ihr euch den Wandel in der öffentlichen Meinung über die Islamische Republik bewusst macht?", fragte Mussavi.

Bei der Niederschlagung regierungskritischer Proteste waren vor einer Woche acht Menschen getötet worden. (Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2010)