Hätten Sie den Unterschied bemerkt? Den zwischen einem professionellen Covermodel und der 21-Jährigen von nebenan, die das Gesicht der ersten "Ohne Models"-Ausgabe der "Brigitte" ist? Wir auch nicht.

Foto: dieStandard.at/Tombor

Die Idee ist gut und die Welt auch schon bereit. Aber nicht die EntscheidungsträgerInnen bei "Brigitte" bzw. ihrem Verlag Gruner + Jahr, wie die erste Ausgabe des Frauenmagazins "ohne Models" vom 2. Januar zeigt. Und das, obwohl die uns eine "neue Epoche" in Sachen Mode- und Lifestyle-Aufmachung versprochen haben. Bekommen haben wir A) bei Kauf des Hefts 2,80 Euro weniger im Geldbörsel und B) die Einsicht, dass man nicht vor hehren Worten wie Revolution zurückschreckt, will man KundInnen gewinnen. Im Gegenteil.

Naiv, äh, branchenfern wie ich bin, habe ich tatsächlich geglaubt, dass es leicht machbar weil kundinnenorientiert wäre, die bereitwillige Frau von nebenan vor die Kamera zu holen und Mode vorführen zu lassen, wenn man das so beschlossen hat, als etabliertes Modemagazin. Irgendeine Frau von nebenan, nicht bevorzugt die Studentin Anfang 20, die es auch als professionelles Model hätte schaffen können, wenn sie doch nur noch diese verdammten drei Zentimeter gewachsen wäre.

Unter den 20.000 Bewerberinnen, die sich laut Brigitte seit Start der Kampagne vor wenigen Monaten als Models gemeldet hätten, wären locker auch Kandidatinnen dabei gewesen, mit denen man näher an der durchschnittlichen Leserin - Mitte Vierzig, Größe Vierzig - dran gewesen wäre. So identifikationstechnisch. 

Nicht, dass eine schlanke 20-Jährige nicht im Heft sein sollte (wenn auch nicht gleich am Cover - Stichwort Signalwirkung, Stichwort Neue Ära!). Aber: Varianz und Vielfalt macht Realität. Und nichts anderes hätte frau sich doch erwartet von dem angekündigten Neustart: Dass alt wie jung, weiß wie schwarz, blond wie grau und klar: dicker wie dünner und die goldene Mitte sowieso vertreten ist. Gerade bei einer so großspurigen Vorankündigung, gerade in der wegweisenden Erstausgabe.

Die traut sich das aber einfach nicht: Gerade mal eines der Nicht-Models ist über vierzig Jahre alt, eine über dreißig, der Rest in den (frühen) Zwanzigern. Die meisten haben Größe 36, keine mehr als Kleidergröße 38. Es gehört anscheinend doch Schneid dazu, mit noch so unnötigen Regeln zu brechen, auch wenn es eigentlich nur darum geht, Frauen, die nicht diesen Normen entsprechen, im Kontext eines Lifestyle-Magazins selbstverständlich vorkommen zu lassen.

Frauenbilder, die die unbedarfte Erwartung an eine redaktionelle Auswahl von "Ohne (typische) Models" erfüllen, finden sich nur auf den ersten Seiten und bei Erfahrungsberichten. Erstere entpuppen sich als die vielbeachteten kurvigen "Dove"-Werbeträgerinnen, zweitere tatsächlich als Leserinnen, mitten aus dem Leben, fototechnisch naturbelassen. Und die illustrieren ausgerechnet Lobeshymnen auf die erfolgreich absolvierte "Brigitte"-Diät.

Ja, die darf nicht fehlen. Im Gegenteil prangt sie als Aufmacher der Erstausgabe eines neuen Jahres, eines neuen Jahrzehnts, ach was: einer neuen Epoche am Titelblatt! Und im Blattinneren findet frau noch dazu eine transportable, weil Handtaschen-taugliche Kalorien-, Energiedichte und Fetttabellle. "Wie kriege ich den Jojo Effekt gut hin?" darf sich die so neu angesprochene Leserin also auch künftig fragen. Wenn sie dann in der erwünschten Gewichtsklasse ist, hat sie auch gute Chancen darauf, Nicht-Model bei "Brigitte" zu werden. Aber Beeilung, bevor's wieder bergauf geht.
(Birgit Tombor/dieStandard.at, 5.1.2010)