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Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner will erst im kommenden Jahr Sanierungsmaßnahmen einleiten.

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STANDARD: Die Wirtschaftsforscher drängen darauf, möglichst bald konkrete Vorschläge zum Abbau der explodierenden Schulden vorzulegen. Wo bleiben die?

Mitterlehner: 2010 ist es weiter notwendig, die Konjunktur zu beleben. Da soll die Bevölkerung nicht mit Einsparungsvorschlägen verunsichert werden. Sonst investiert niemand, und die Konsumenten geben nichts aus. Überhaupt: In Österreich bestand noch nie die Gefahr, dass die Sanierung zu früh eingeleitet wird. 2010 steht vor allem unter den Stichworten Umstrukturierung und Innovation. Erst 2011 sollen Sanierungsmaßnahmen beginnen - da sind wir uns mit allen Experten einig.

STANDARD: Aber die Experten meinen auch, man muss jetzt Sanierungsüberlegungen anstellen.

Mitterlehner: Das sind zwei Paar Schuhe - Überlegen und Umsetzen. Überlegen muss man immer. Alles andere würde Stillstand bedeuten.

STANDARD: Das Wifo meint, man solle die Vielzahl an Sozialleistungen und Unternehmensförderungen auf ihre Treffsicherheit untersuchen. Was fällt Ihnen da ein?

Mitterlehner: In unserem Bereich fördern wir sehr treffsicher, gerade was Haftungen und Kredite betrifft. Da werden wir sogar Ausweitungen brauchen. Große Treffsicherheit gibt es bei den konjunkturpolitischen Maßnahmen wie der thermischen Sanierung. Der Sozialbereich ist eine andere Angelegenheit, die nicht in meine Kompetenz fällt. Aber da liegen die Themen längst auf dem Tisch: etwa die Hacklerregelung, oder Gesundheits- und Schulbereich, wo es Effizienzpotenzial gibt.

STANDARD: Und im Wirtschaftsbereich gibt es keinen Reformbedarf?

Mitterlehner: Doch, wir lassen gerade eine Studie machen, um im eigenen Bereich Effizienzsteigerungspotenziale auszuloten.

STANDARD: In Frankreich oder England diskutieren nicht nur Linke über Sondersteuern auf Banker-Boni oder Extra-Abgaben für Banken. Warum fällt es der ÖVP so schwer, sich an dieser Diskussion zu beteiligen?

Mitterlehner: Bei uns stehen die Boni nicht im Vordergrund, weil sie bei weitem nicht das Ausmaß erreichen wie in England oder Amerika. Was wir tun müssen: Rund um die Gesamt-Energiestrategie überlegen, ob wir unser Steuersystem nicht ökologischer ausrichten müssen. Da sehe ich den großen Anknüpfungspunkt, weniger in Sondersteuern für diverse Gruppen. 

STANDARD: Das heißt aber, man wird nicht umhinkommen, höhere Abgaben auf Energie zu verlangen.

Mitterlehner: Aber das kann auch aufkommensneutral sein. Es geht darum, mittelfristig Arbeit zu entlasten und Anreize in Richtung Nachhaltigkeit, in Richtung thermischer Sanierung und Ähnliches zu setzen. Da sind steuerliche Maßnahmen durchaus anzudenken. Das werden wir rund um die Energiestrategie diskutieren.

STANDARD: Können Sie präzisieren, worauf wir uns einstellen müssen?

Mitterlehner: Erst stellen wir die Strategie vor, dann die Maßnahmen. Wir setzen nicht den zweiten vor dem ersten Schritt.

STANDARD: Von der ÖVP hören wir immer, das Wichtigste für die Krisenbekämpfung ist Wachstum. Wo soll das herkommen?

Mitterlehner: Indem wir in Zukunftsmärkte gehen - Stichwort Ökoinnovation. Hier sind enorme Potenziale gegeben. Und wir müssen uns intensiver um Märkte wie den Mittleren Osten oder den Schwarzmeerbereich kümmern.

STANDARD: Jetzt könnte man sagen: Was haben die Arbeitnehmer davon, wenn Firmen im Mittleren Osten Gewinne machen?

Mitterlehner: Diese Argumentation wäre ein Riesenirrtum. Da unterscheiden wir uns von den Sozialdemokraten. Die glauben, man könne das Problem mit reinen Arbeitsmarktprogrammen lösen. Ich unterstütze die These, dass qualitatives Wirtschaftswachstum der Schlüssel ist. Eine Wirtschaft mit acht Millionen Konsumenten kann es sich nicht leisten, nur in Österreich zu agieren. Deshalb ist die Internationalisierung wichtig.

STANDARD: Sie haben den nötigen Strukturwandel angesprochen. Gleichzeitig hat man den in der Autobranche durch die Verschrottungsprämie verzögert.

Mitterlehner: Die war aber ganz wichtig. Es gibt zwei Möglichkeiten: Eine Prämie oder die Kurzarbeit kann dazu genutzt werden, um mit alten Strukturen weiterzumachen. Dann ist man hoffnungslos verloren. Wenn man aber die Zeit nutzt zur Umstrukturierung, dann war eine derartige Prämie richtig. Wenn Sie sehen, wie wir in Richtung Elektro-Mobilität gehen oder dass die Kurzarbeit zurückgeht, dann merken Sie, dass die heimische Wirtschaft die Umstrukturierung in Angriff genommen hat. Daher sind wir mit unseren Programmen richtig gelegen.

STANDARD: Sie haben laut über die Teilprivatisierung der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) nachgedacht. Wie ist hier der Stand?

Mitterlehner: Die Arbeitsgruppe prüft noch. Grundsätzlich würden wir das so machen: Die 21 Universitäten und Schulgebäude wären nicht von der Privatisierung erfasst. Wir haben aber rund 3000 andere Grundstücke und Gebäude. Wir bewerten, ob es Sinn macht, eine Immo-Gesellschaft zu gründen und davon 35 Prozent an die Börse zu bringen. Unter den jetzigen Marktbedingungen schätze ich das Privatisierungsinteresse aber als eher eingeschränkt ein. (Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe, 5.1.2010)