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Werner Schuster traut seinem Ex-Schützling Schlierenzauer jahrelange Dominanz zu.

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Gregor Schlierenzauer flog am Bergisel in ein rot-weiß-rotes Fahnenmeer und zum Sieg.

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Standard: Wer gewinnt die Vierschanzentournee? Kann Andreas Kofler seinen Vorsprung vom Erfolg in Oberstdorf halten, oder spricht das Momentum nach den Siegen in Garmisch und Innsbruck eher für Gregor Schlierenzauer? Kann es einen lachenden Dritten geben?

Schuster: Es wird sich zwischen Kofler und Schlierenzauer entscheiden. Obwohl ich es Kofler aufgrund seiner Vorgeschichte, seines harten Weges zurück in die Spitze gönne, glaube ich eher, dass es wie bei der Skiflug-WM im Vorjahr in Oberstdorf laufen wird. Da hat Martin Koch nach drei Durchgängen geführt, den Titel hat aber Schlierenzauer geholt.

Standard: Sie haben Schlierenzauer zwischen 2005 und 2007 in Stams und in einem ÖSV-Kader betreut. War das, was er jetzt zeigt, schon damals alles angelegt?

Schuster: Das klingt jetzt blöd, aber er war technisch sogar noch besser als jetzt. Nicht falsch verstehen, er hat ein sehr gut funktionierendes Trainerteam um sich, ein hochprofessionelles Umfeld. Ich habe nur den Eindruck, dass er derzeit manchmal Schwierigkeiten mit der Anfahrt hat. Als ich ihn bekommen habe, war er trotz seiner Jugend in vielen Beziehungen schon ausgereift. Bei seiner ersten Tournee 2006/07, bei seinen Siegen in Oberstdorf und Bischofshofen, da war er wirklich brillant.

Standard: Wie ist es, mit einem derartigen Talent zu arbeiten?

Schuster: Die Arbeit mit Gregor war ein Privileg, aber nicht immer ganz einfach. Wir waren oft nicht einer Meinung, er ist ein Sportler, der seinen Trainer aufs Äußerste fordert, der auch widerspricht. Und er war erstaunlich selbstkritisch für sein Alter. Er war nie zufrieden. Andererseits hat er andere nie spüren lassen, wie gut er ist. Auch wenn er um zehn Meter davongesprungen ist. Analysiert haben wir zu zweit im Kammerl.

Standard: Sie hatten in Ihrer Gruppe auch Toni Innauers Sohn Mario. Eine Zeitlang waren die beiden auf einem Niveau. Warum hat sich Schlierenzauer so klar abgesetzt?

Schuster: Das hat vielerlei Gründe, zum Beispiel hat Gregor den letzten Wachstumsschub besser überstanden. Das ist immer eine problematische Übergangsphase. Mario hat sich da auch etwas schwerer getan. Ich bin jedenfalls froh, dass er jetzt in Innsbruck mit Rang zehn aufgezeigt hat.

Standard: Schlierenzauer betont oft, dass seine Karriere noch lange dauern wird. Er hat schon jetzt viel gewonnen, ist Österreichs erfolgreichster Weltcup-Springer. Wird er noch dominanter werden, über Jahre fast unschlagbar sein?

Schuster: Immer vorausgesetzt, dass er sich nicht verletzt, glaube ich das schon. Er ist jetzt ein körperlich voll ausgebildeter Vollprofi. Wenn er alle seine Möglichkeiten ausschöpft, kann ihm keiner das Wasser reichen.

Standard: Sehen Sie neben der Verletzungsgefahr noch andere Stolpersteine?

Schuster: Man weiß nie, wie es mit der Motivation ausschaut, wenn er alles gewonnen hat, Tournee, Weltmeisterschaften, Olympia. Und wie er mit einem echten Tief umgeht. Diese Erfahrung hat er noch nicht gemacht.Sie kommt für jeden. Selbst ein Janne Ahonen war davor nicht gefeit.

Standard: Was zeichnet Schlierenzauer rein sportlich besonders aus?

Schuster: Er versteht es aufgrund seiner herausragenden Feinkoordination wie kein anderer, seine Rohkraft umzusetzen. Das geht wie selbstverständlich über in die Flugphase, in der er durch sein Gefühl noch einmal viel steuern kann. Gregor hat zudem nie Gewichtsprobleme gehabt.

Standard: Wie eng kann Ihr Kontakt zu ihm noch sein, jetzt, da Sie als deutscher Chefcoach genug andere Sorgen haben?

Schuster: Wenn wir einander nicht ohnehin auf der Tour sehen, telefonieren wir auch manchmal miteinander. Uns verbinden ja auch gewisse Schlüsselerlebnisse.

Standard: Zum Beispiel?

Schuster: Vor der Junioren-WM in Kranj 2006 galt Mario Innauer als Favorit. Gregor war da verunsichert, seine Leistungen waren nicht einschätzbar in dieser Saison. Er wurde dann doch Weltmeister, eine Art Durchbruch. (Sigi Lützow, DER STANDARD, Printausgabe, Dienstag 5. Jänner 2010)