Bild nicht mehr verfügbar.

Präsident Obama meldet sich vom Urlaub zurück

Foto: AP/Owen

Einen Tag länger wäre er gern noch auf Hawaii geblieben, so hatte es Barack Obamas Zeitplan ursprünglich auch vorgesehen. Nun landete die Air Force One schon am Montag auf der Rollbahn der Luftwaffenbasis Andrews. Und schon heute, Dienstag, beruft der US-Präsident im abhörsicheren Lageraum des Weißen Hauses die erste Krisensitzung des neuen Jahres ein.

Die führenden Köpfe seines Geheimdienst- und Sicherheitsapparats sollen erklären, welche Lücken und Pannen Umar Faruk Abdulmutallab, den sogenannten Unterhosenbomber, Weihnachten durchs Netz schlüpfen ließen. CIA-Chef Leon Panetta wird am Tisch sitzen, Heimatschutzministerin Janet Napolitano, Justizminister Eric Holder, Geheimdienstkoordinator Dennis Blair.

Auf Napolitano prasselt die heftigste Kritik ein, hatte sie doch nach dem nur durch Glück vereitelten Attentat auf bizarre Weise von einem funktionierenden System gesprochen. Blair, ein Ex-Admiral, gilt als Rücktrittskandidat. Er beaufsichtigt das National Counterterrorism Center (NTC), untergebracht in einem langweiligen Büroklotz in Virginia, bei dem die Fäden der Terrorabwehr zusammenlaufen.

2004 unter George W. Bush gegründet, soll das NTC die Einzelteile des Informationspuzzles zu einem Gesamtbild zusammenfügen, und genau das hat es nicht getan. Ob es nun an menschlichen Fehlern lag oder der latenten Ineffizienz einer Mammutbehörde, die so viele Daten sammelt, dass wirklich wichtige Hinweise in der Masse untergehen - im Falle Abdulmutallabs haben Blairs Schlapphüte versagt.

Bereits im August gab es Protokolle abgehörter Telefonate, in denen Mitglieder der Al-Kaida-Sparte im Jemen von einem Nigerianer sprachen, der einen Anschlag verüben sollte. Im November warnte Abdulmutallabs Vater, ein angesehener Bankier, die US-Botschaft in Abuja vor seinem Sohn, der in SMS-Texten immer radikalere Ansichten äußerte, seit er im Südwestzipfel der Arabischen Halbinsel abgetaucht war. Die CIA-Filiale in Nigeria recherchierte, erstellte eine Biografie des jungen Mannes und schickte ein Kabel an die Zentrale in Langley, wo die Informationen entweder nicht ernst genommen wurden oder untergingen. Für Thomas Kean, den Vorsitzenden der 9/11 Commission, die der Fehlerkette vor den Flugzeugattentaten auf New York und Washington auf den Grund ging, ist es ein Déjà-vu-Erlebnis, "absolut frustrierend" . Allein die Warnungen des Vaters, sagt Kean, hätten die Alarmlämpchen zum Flackern bringen müssen.

"Es gab keinen rauchenden Colt" , entgegnet John Brennan, der Antiterrorexperte des Weißen Hauses. Aus all den Indizien hätte man nicht den Schluss ziehen können, dass Abdulmutallab eine akute Gefahr darstellte. Und radikalisierte Bankierssöhne habe es auch schon früher gegeben.

Beobachter Washingtoner Insider-Spielchen notieren mit Interesse, dass es ausgerechnet Brennan ist, der fürs Weiße Haus spricht. Als ob er aufgetaucht wäre aus der Versenkung. Vor einem Jahr hatte Obama überlegt, den CIA-Veteranen zum Geheimdienstdirektor zu ernennen. Brennan, in den 1990er-Jahren CIA-Resident in Saudi-Arabien, hatte als intimer Kenner Al-Kaidas gute Karten. Allerdings soll er nach dem 11. September zu aktiv mitgestrickt haben an dem Netz von Geheimgefängnissen rund um den Globus, womit er angesichts der versprochenen Kehrtwende unter Obama für einen Spitzenposten nicht infrage kam. Jetzt sieht man ihn erstmals im Rampenlicht. Es ist Brennan, der von Talkshow zu Talkshow tingelt, um zu erklären, warum Truppen nach Afghanistan beordert werden, aber nicht in den Jemen, und was das verschärfte Sicherheitsregime auf den Flughäfen bewirken soll.

Nach neuen, am Sonntag verkündeten Regeln der Flugsicherheitsbehörde TSA müssen Staatsangehörige von 14 Ländern verschärfte Kontrollen über sich ergehen lassen, wenn sie in die USA fliegen wollen. Das betrifft Reisende aus Krisenherden wie Afghanistan oder Irak, aus nominell befreundeten Staaten wie Pakistan, Nigeria und Saudi-Arabien und aus jenen, die seit längerem auf der Liste der Terrorsponsoren stehen: Kuba, Iran, Sudan, Syrien. Künftig werden sie jedes Mal, und nicht nur stichprobenartig wie bisher, abgetastet.

Ihr Handgepäck wird zweimal untersucht, in der Regel penibler als das von anderen Fluggästen. Nawar Shora, Chefjurist des amerikanisch-arabischen Komitees gegen Diskriminierung, spricht von einer "extremen" Maßnahme. Damit, protestiert der Anwalt, unterstelle Washington, dass Bürger bestimmter Staaten a priori Verdächtige seien.

Der Flughafen von Newark bei New York wurde indes bereits am Montag für sechs Stunden geschlossen, weil ein Unbekannter unbehelligt durch die Sicherheitsschleusen spaziert war. Tausende Passagiere hingen fest. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 5.1.2010)