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Foto: APA/EPA/Villalobos

Die graue Eminenz der EU tritt wieder vor den Vorhang: Jacques Delors (84) soll am Dienstag in einem erstmals von der spanischen Ratspräsidentschaft einberufenen "Weisenrat" nachdenken, wie denn die Europäische Union aus der noch immer glosenden Wirtschaftskrise zu führen sei. Der spanische Premierminister und Ratspräsident José Luis Rodríguez Zapatero hat ihn und andere "elder statesmen" dazu nach Madrid eingeladen. Und in der Tat wäre kaum jemand besser dafür geeignet als Monsieur Delors, der distinguierte Franzose, dem es nie an Visionen und auch am nötigen Punch für den harten politischen Infight gefehlt hat, um diese auch umzusetzen.

Anders als alle EU-Kommissionspräsidenten vor und nach ihm gilt Delors als der Mr. Europa, weil er in seinen Amtszeiten zwischen 1985 und 1995 mehr für die EG (nachmals EU) geleistet hat als viele andere zusammen. Der studierte Ökonom aus Paris stand hinter der Einheitlichen Europäischen Akte, auf der der europäische Binnenmarkt mit seinen Freiheiten für Kapital, Waren und Personen aufsetzt. Ohne Delors hätte es auch niemals den Euro gegeben.

Der Katholik, der aus seinem Glauben nie einen Hehl gemacht hat, lernte sein Handwerk bei der französischen Nationalbank und später, in den 1970er-Jahren, als Berater des gaullistischen Ministerpräsidenten Jacques Chaban-Delmas. Damals scheiterten große Reformpläne am Widerstand des Staatspräsidenten Georges Pompidou. Enttäuscht näherte sich Delors danach politisch an die Sozialisten an, für die er zwischen 1979 und 1981 im ersten Europaparlament saß.

François Mitterrand machte ihn später zum Finanzminister. Ins Premiersamt schaffte es Delors allerdings nie, bevor er als EU-Kommissionschef nach Brüssel wechselte - aber erst nachdem die britische Premierministerin und ironischerweise ausgesprochene EU-Integrationsfeindin Margaret Thatcher ein Veto gegen einen anderen französischen Kandidaten eingelegt hatte.

Präsident Mitterrands Nachfolge im Élysée wollte Delors nach langer Überlegung 1995 nicht antreten, er überließ die Kandidatur der Sozialisten damals Lionel Jospin, der prompt gegen Jacques Chirac verlor. Eine Niederlage, an der der Parti Socialiste noch heute laboriert. Selbst Delors' Tochter, Martine Aubry, die seit gut einem Jahr Parteichefin des PS ist, hat das bisher nicht ändern können. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 5.1.2010)