Früher einmal galt: Im Gegensatz zum Kunsthandwerk hat Kunst keinen praktischen Nutzen. Kunst kann man an die Wand hängen oder aufstellen, man kann sie betrachten, aber man kann nicht darauf sitzen oder daraus trinken.

Die Zeiten, in denen Kunst nur zur Dekoration diente, sind spätestens seit der Moderne vorbei. Kunst darf hässlich sein, zum Denken anregen. Sie darf aber auch erbauen und unterhalten. Theater zum Beispiel darf nach wie vor moralische Anstalt, muss geradezu Ort der Auseinandersetzung mit Politik sein. Aber einen praktischen Nutzen hatte Kunst keinen.

Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Für die Politik hat die Kunst vor allem dann eine Daseinsberechtigung, wenn sie Arbeitsplätze sichert, hohe Besucherzahlen generiert - und Menschen zu einer Reise animiert.

Den Politikern ist egal, was die Künstler und Autoren hervorbringen, solange es sich nur gut verkaufen lässt. Die Kunst hat einen praktischen Nutzen bekommen. Und so wurde das EU-Label "Kulturhauptstadt" zu etwas, das in der gegenwärtigen Form nicht intendiert war: zu einem Vehikel der Tourismusmanager.

Linz jubelte, weil die Nächtigungszahlen stiegen, das Ruhrgebiet stellt sich als touristische Destination vor, und Istanbul will die Zahl der Touristen verdoppeln. Kunst ist für die Kulturhauptstadtmacher nichts weiter als eine attraktive Hure. (Thomas Trenkler /DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.1.2010)