Wien  - Die Ermittlungen im Entführungsfall Natascha Kampusch sind fertig. Die Oberstaatsanwalt (OStA) Wien wird am Freitag gemeinsam mit dem für die Causa Zuständigen Thomas Mühlbacher, Leiter der Staatsanwaltschaft Graz, den Abschlussbericht bei einer Pressekonferenz im Wiener Justizpalast präsentieren. Inhaltlich wurde am Dienstag zu den Ergebnissen der "ergänzenden Ermittlungen", die am 8. Jänner auch von Werner Pleischl, Leiter der OStA Wien, und Ernst Geiger vom Bundeskriminalamt (BK) erläutert werden, nichts verlautbart.

Nachdem die Akte Kampusch knapp drei Monate nach der Flucht der heute 21-Jährigen und dem Selbstmord ihres Entführers Wolfgang Priklopil Ende November 2006 geschlossen worden war, nahm man die Ermittlungen Ende Oktober 2008 erneut auf, um offene Fragen zu klären. Im Laufe der Erhebungen wurde auch Kampusch mehrere Stunden befragt.

Als zentrale Figur für die Ermittler entpuppte sich Ernst H., ehemals enger Freund von Priklopil. Beim Verhör änderte H. seine bisherigen Aussagen und gab an, doch von Kampuschs Entführung gewusst zu haben. Priklopil soll ihm die Tat unmittelbar vor seinem Ableben gestanden haben. Auch punkto einer Geldüberweisung von 500.000 Schilling (rund 36.300 Euro) an den Täter änderte er seine Angaben und rückte von der ursprünglichen Version, er habe seinem Freund Geld für ein Auto geliehen, ab.

Seit November 2009 wird H. als Mitbeschuldigter geführt. Die Oberstaatsanwaltschaft muss nun unter anderem entscheiden, ob das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder nicht. Priklopils Freund könnte unter Umständen wegen Mitwisserschaft oder Begünstigung zum Selbstmord belangt werden. Weiters wurde im Zuge einer Hausdurchsuchung in Deutschland Beweismaterial bei einem deutschen Grafiker sichergestellt. Er hatte behauptet, im Internet auf ein Video von Kampusch im deren Verlies gestoßen zu sein.

Als Beobachter begleitete die Ermittlungen eine Evaluierungskommission des Innenministeriums, unter Leitung von Ludwig Adamovich, frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Diese plant kommenden Montag eine Sitzung, in der Adamovich über einen möglichen Rücktritt als Vorsitzender entscheiden will. Der Grund: Der Ex-VfGH-Präsident war in den vergangenen Monaten wegen öffentlicher Aussagen über Kampuschs Vergangenheit in die Kritik geraten. Am 24. Dezember verurteilte ihn das Wiener Straflandesgericht wegen übler Nachrede zu einer Entschädigung von 10.000 Euro. Der 77-Jährige hatte Kampuschs Mutter, Brigitta Sirny, laut Gericht in Interviews eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. (APA)