Beim Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart herrscht am Mittwoch genauso ein Katzenjammer wie bei dem der CSU in Wildbad Kreuth. Die Liberalen haben zwar keine Landesbank mit Kärntner Milliardendesaster. Dafür stehen sie vor den Scherben jenes politischen Themas, das ihnen bei den Bundestagswahlen zum Erfolg und zum Eintritt in die Koalition verholfen hat – der Wirtschafts-und Steuerpolitik.

Parteichef Guido Westerwelle hatte im Wahlkampf  vor allem Steuersenkungen für den Mittelstand versprochen und dabei das eigentliche Leibthema der Liberalen vernachlässigt – die Liberalisierung und Deregulierung der in Deutschland in vielen Bereichen sehr rigiden Regeln des Wirtschaften.

Vor allem im Arbeits- und Sozialrecht ist Deutschland – trotz Hartz-IV-Reformen – viel stärker reguliert als Österreich. Das krasseste Beispiel ist der Kündigungsschutz. Anders als bei uns kann ein deutsches Unternehmen Arbeitnehmer nicht grundlos kündigen, und Begründungen werden vor dem Arbeitsgericht meist angefochten. Die Folge ist aus Sicht der meisten Ökonomen nicht überraschend: eine deutlich höhere Arbeitslosigkeit.

In den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl hat die FDP beim Kündigungsschutz, bei der betrieblichen Mitbestimmung und bei den Mindestlöhnen zwar Einiges verlangt, aber fast nichts bekommen. Das wurde ohne Murren akzeptiert.

Dafür musste sich die Koalition auf Drängen der Liberalen auf Steuersenkungen einschwören, die allerdings nicht realistisch sind. Denn angesichts der Rekorddefizite muss Deutschland in den kommenden Jahren sparen und kann sich Steuergeschenke nicht leisten.

Bereits jetzt ist klar, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die FDP-Wünsche zu Großteil abblocken wird, da kann Westerwelle in Stuttgart noch so poltern und eine große Steuerreform für 2011 fordern. Die Wahlsieger von 2009 sind die Verlierer der Regierungsarbeit – und die Umfragen zeigen das bereits.

Dahinter steht nicht nur ein taktisches Versagen, sondern ein grundsätzliches. Deutschland ist ein Land mit hohen Steuern – wenn auch nicht ganz so hoch wie in Österreich. Aber eine liberale Wirtschaftsordnung ist auch mit hohen Steuern und Abgaben vereinbar.  

Im Gegenteil: Für einen politisch vertretbaren Liberalismus braucht man hohe Steuern, weil nur dann ein gut ausgebautes Sozialsystem die Härten des freien Marktes abfedern kann. Dänemark mit ihrer erfolgreichen Flexicurity im Arbeitsmarkt lebt das vor.

Der Ruf nach Steuersenkungen hat mit Liberalismus wenig zu tun. Das ist mittelständischer bzw. konservativer Populismus.

Wer sich auf Steuersenkungen kapriziert, der verursacht hohe strukturelle Budgetdefizite – was ebenfalls liberalem Wirtschaften widerspricht – oder einen Sozialabbau, der die gesellschaftliche Solidarität bedroht.

Auch die Union hat keine Schritte gesetzt, um den überbordenden deutschen Regulierungsstaat zu reformieren. CDU und CSU wollen die besseren Sozialdemokraten sein.

Deshalb wurde von dieser Koalition eine historische Chance verpasst. Ihr Programm ist viel weniger mutig als die Agenda 2010 der Regierung Schröder es war.     

Die Hauptverantwortung dafür trägt die FDP. Der Katzenjammer beim Dreikönigstreffen geschieht ihr recht.