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Das Nexus One ist nur das erste einer Reihe von "Superphones"

Foto: REUTERS/Robert Galbraith

Seit Dienstagabend ist das am schlechtesten gehütete Geheimnis des Webs gelüftet: Google hat sich mit dem Nexus One ein eigenes Smartphone geschenkt und will damit die Welt des Mobilfunks revolutionieren. Dementsprechend hat der Konzern aus Mountain View dem von HTC erbauten Gerät auch gleich den Namen "Superphone" verliehen. Es soll exemplarisch mit State-of-the-art-Technologie zeigen, was derzeit (mit dem hauseigenen Betriebssystem Android) möglich ist. In Applescher Manier hat man also in den vergangenen Wochen einen Hype aufgebaut und das Nexus One mit einem eigenen Event auf den Markt losgelassen. Googles Versprechungen sind hoch.

Starkes Interesse

Das Interesse am Launch des Nexus One war enorm. Mehrere Gadget-Seiten haben ihre Live-Blogs eigens für den Google-Event aufgesperrt, wie es bei Apple-Ankündigungen Tradition ist. Den Live-Webcast von Technologie-Blogger Robert Scoble - Google erlaubte den Zugriff auf seinen offiziellen Webcast nur einigen Journalisten per Passwort - verfolgten teilweise über 23.000 User gleichzeitig. Der Präsentation fehlte zwar ein charismatischer Showman wie Steve Jobs, doch Google machte klar, dass man in der Rallye um den Smartphone-Markt nun einen Gang höher geschaltet hat. Und die bisherige Arbeit zahlt sich aus. Laut einer US-Umfrage wollen sich 21 Prozent aller Befragten ein Handy auf Android-Basis kaufen, an einem neuen iPhone zeigen sich 28 Prozent interessiert (der WebStandard berichtete) Derzeit gibt es nach Googles Angaben etwa 20 Smartphones mit Android, die in 48 Ländern von 59 Mobilfunkern angeboten werden.

Der Markt soll Kopfstehen

Googles Absicht mit dem Nexus One ist es, den Markt neu zu arrangieren. So wie der Konzern die Webnutzung vom PC aus mit seiner Suchmaschine revolutioniert hat, soll es mit Android und eigener Hardware nun auch mit dem mobilen Internet passieren. Mit dem Betriebssystem verdient Google direkt kein Geld und auch das Nexus One wird dem Unternehmen wohl keine Milliarden bringen wie Apples iPhone. Darum geht es dem Unternehmen auch nicht. Weil die Google-Dienste nicht jedem Handy-Hersteller oder Mobilfunker passen, will man mit eigener offene Software und offener Hardware sicherstellen, dass die User nicht an Google vorbeisurfen und der Rubel im Anzeigengeschäft weiterhin in die eigenen Taschen rollt. Dementsprechend hat der Suchmaschinenkaiser nicht nur ein Handy, sondern einen neuen Online-Shop vorgestellt.

Handys shoppen auf Google-Art

Auf google.com/phone hat man gleichzeitig zum Nexus One-Art einen Shop aufgesperrt, über den das Gerät entweder frei um 529 US-Dollar oder zusammen mit einem Mobilfunk-Vertrag feilgeboten wird. Derzeit ist der Shop nur für Kunden aus den USA und in Kürze für Testmärkte in Großbritannien, Hong Kong und Singapur geöffnet. In den USA kann das "Superphone" vorerst nur mit einem Vertrag von T-Mobile gekauft werden, da es sich bei dem Gerät um die GSM-Version handelt und andere Provider wie Verizon und Spring einen anderen Mobilfunkstandard unterstützen. Natürlich steht es Kunden auch frei, ihre AT&T-SIM-Karte in das Gerät einzulegen, dann steht ihnen allerdings kein flottes 3G-Netz zur Verfügung. Google verspricht, dass diese Einschränkungen bald fallen sollen und werkt an einem Online-Shop, in dem Android-Handys mehrerer Hersteller nach Belieben mit Verträgen unterschiedlicher Provider gewählt werden können. Vorbild ist eindeutig der PC-Markt, bei dem Hardware und Verträge von Internet Service Providern auch nicht gekoppelt sind. Derzeit unterschiedet sich der Google-Shop mit einem Gerät und einem Provider aber noch nicht von anderen Bezugsmöglichkeiten von Handys und Verträgen. Kritik, dass Google hier eine Vision als Markt-Revolution verkauft, mag berechtigt sein. Aber Apple startete das erste iPhone auch ohne den jetzt so erfolgreichen und von vielen nachgeahmten App Store - der sperrte erst ein Jahr danach mit der zweiten Generation auf.

Was kann die Hardware?

Was die von HTC entwickelte Hardware angeht, so steht ein eigener ausführlicher Test noch aus, bis ein Testgerät seinen Weg in die Redaktion des WebStandards findet. Von den Spezifikationen und ersten Urteilen von Journalisten, die das Nexus One bereits ausprobieren konnten, zeichnet sich ein positives, aber unaufgeregtes Bild. Dass es sich dabei um eines der fortschrittlichsten Smartphones handelt, darüber scheint Einigkeit zu herrschen. Es als das Android-Handy schlechthin zu bezeichnen, soweit gehen nicht alle Tester. Gizmodo meint, dass es das derzeit beste Android-Handy auf dem Markt und deutlich besser als Motorolas Droid ist. Engadget beurteilt es als extrem gutes Gerät, das Nexus One bringe aber bei weitem nicht den im Vorfeld angekündigten Paradigmen-Wechsel. Die Blogger favorisieren das Motorola Droid. Für die Frankfurter Allgemeine hat Google mit dem Nexus One enttäuscht. Schnelle Hardware und fortschrittliche Software ja, aber eine Revolution?

Gute Mischung aus Hard- und Software

Walt Mossberg vom Wall Street Journal konnte das Nexus One bereits einige Wochen ausprobieren und meint, dass es das erste Gerät sei, das er täglich als mobilen Computer nutzen würde. Das "Superphone" biete die richtige Mischung aus Hard- und Software und habe das Potenzial Apple und Blackberry-Hersteller RIM Kunden abspenstig zu machen. Der große App Store vom Konkurrenten aus Cupertino mit rund 100.000 Anwendungen im Vergleich zum aktuell etwa 18.000 Apps umfassenden Android Market mache allerdings das iPhone derzeit noch zur besseren Plattform für mobiles Anwendungen.

Tolles Display, kein Multitouch

David Pogue von der New York Times stellt dem Nexus One ein durchwachsenes Zeugnis aus. Durch den 1 GHz Qualcomm Snapdragon-Prozessor arbeite es sehr schnell. Das 3,7 Zoll große AMOLED-Display sei hervorragend. Die Möglichkeit, aus jeder Textanwendung heraus Eingaben zu diktieren, sei toll mit einer Erkennungsrate von 90 Prozent bei einfachen, deutlich gesprochenen Mitteilungen. Das Fehlen von Multitouch - das Google mit einem Patent von Apple entschuldigt - sei jedoch ein großes Minus. Auch kritisiert Pogue, dass Anwendungen noch immer nicht auf der SD-Karte, sondern nur auf dem kleinen ROM-Speicher geladen werden können. Hier hat Google aber bereits versprochen, dass in einer neuen Android-Version Apps endlich auf der SD-Karte installiert werden können.

Ein neuer Superheld unter den Smartphones?

Das Nexus One wird sicher kein Einzelhit wie Apples iPhone. Googles Betriebssystem Android wird bald auch für neue und einige bestehende Geräte anderer Hersteller in der neuesten Version 2.1, wie sie derzeit nur am Nexus One in Erscheinung tritt, erhältlich sein. Mit der Hardware-Ausstattung liegt das neue Google-Handy sicherlich derzeit im Spitzenfeld zusammen mit Geräten wie dem Motorola Droid. Bald werden am Markt Handys aber auftauchen, die noch leistungsstärker sind und ebenfalls auf Android 2.1 basieren. Google hat mit dem Nexus One keinen einsamen Superhelden unter den Smartphones in die Welt gesetzt, sondern nur den Vorboten einer Reihe von "Superphones" losgeschickt. (Birgit Riegler/derStandard.at 6. Jänner 2010)