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Barack Obama liest den Verantwortlichen der amerikanischen Geheimdienste im Oval Office gehörig die Leviten. Personelle Konsequenzen gibt es - vorerst - keine.

Foto: AP Photo/The White House, Pete Souza

Dutzende Jemeniten werden nun nicht mehr aus Guantánamo in ihre Heimat überstellt.

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So hart, so grimmig hat man ihn noch nie reden hören. Neun Minuten stand Barack Obama im Großen Foyer des Weißen Hauses hinterm Rednerpult, allein neunmal benutzte er das Wort vom Scheitern. Gescheitert seien die amerikanischen Sicherheitsdienste, schimpfte der Präsident, aber nicht aus Mangel an Informationen. Die hätten sie gehabt, sogar reichlich. "Sie haben es nicht vermocht, diese Punkte miteinander zu verknüpfen."

Es ist die Umschreibung einer bürokratischen Fehlerkette, die es dem "Weihnachtsbomber" Umar Faruk Abdulmutallab erlaubte, sich ungehindert in eine Maschine zu setzen, in der er über Detroit einen Sprengsatz zu zünden versuchte. Hätten die Dienste deutliche Hinweise nicht ignoriert, wäre er gar nicht an Bord gelangt. Sein Vater war nicht nur einmal in die US-Botschaft in Nigeria gekommen, um vor seinem im Jemen abgetauchten Sohn zu warnen. Darüber hinaus rief der Senior an, schrieb Briefe. Großbritannien lehnte es ab, Abdulmutallabs Visum zu erneuern, wozu es auch in Washington einen Vermerk geben dürfte. Zwar legte die CIA-Zentrale in Langley eine Akte an, Biografie und Foto eingeschlossen. Aber dabei blieb es.

Niemand sorgte dafür, dass der 23-Jährige auf die 4000 Namen umfassende "No Fly List" kam. Niemand schöpfte Verdacht, als er sein Ticket bar bezahlte und kein Gepäck aufgab, ziemlich ungewöhnlich bei einem Amerikaflug. Nach den Worten Obamas wussten die Geheimen sogar, dass eine Al-Kaida-Zelle im Jemen einen Afrikaner für Anschläge in den USA einsetzen wollte. "Wir wussten, dass diese Gruppe mit einer ganz bestimmten Person zusammenarbeitete. Und es stellte sich heraus, dass es in der Tat die Person war, die an der Weihnachtsattacke beteiligt war."

Damit auch wirklich jeder begriff, wie verärgert der Präsident über die Pannenserie ist, reichte sein Stab eine Erklärung nach. Ein paar Sätze, die während Obamas zweistündiger Beratung mit den Geheimdienstchefs und den für Sicherheitsfragen zuständigen Ministern fielen: "Ein einziges Desaster" , "Nur ganz knapp sind wir der Kugel ausgewichen".

"Jede Regierung neigt im ersten Reflex dazu, eine Krise herunterzuspielen" , kommentiert Clark Ervin, Terrorismusexperte am Aspen Institute. Zum Glück habe Obama den richtigen Ton getroffen. Nun müsse jemand seinen Sessel räumen, sonst verpuffe der Lerneffekt.

"Botschaft verstanden" , quittierte Dennis Blair die präsidiale Predigt, einer, dessen Stuhl bedenklich zu wackeln scheint. Der ehemalige Flottenadmiral leitet das nationale Zentrum der Terrorabwehr. Gegründet wurde es, genau wie das Ressort Heimatschutz, als Konsequenz aus dem 11. September 2001, in der Absicht, besser zu koordinieren, was die einzelnen Behörden an Erkenntnissen zusammentragen. Kritiker sprechen indes von einem bürokratischen Moloch, der in dem Maße, wie er wuchs, noch mehr an Effizienz einbüßte.

Personelle Konsequenzen? Obama will sie nicht ziehen, noch nicht. Alle hätten versagt, die Schuld lasse sich nicht auf einen Einzelnen abwälzen, begründet er das. An der Absicht, das Lager Guantánamo zu schließen, hält er ebenfalls fest, auch wenn sich absehen lässt, dass der angepeilte Termin am 22. Januar nicht zu halten ist. Guantánamo habe Al-Kaida als kräftiges Argument gedient, um neue Rekruten zu finden, entgegnet der Demokrat den Republikanern, die ihn zur Umkehr drängen. Allerdings tritt er auf die Bremse. Rund 40 Gefangene aus dem Jemen, die in den nächsten Wochen in ihre Heimat zurückkehren sollten, bleiben fürs Erste hinter Gittern. 92 der 198 verbliebenen Insassen sind Jemeniten, die größte Gruppe der Guantánamo-Häftlinge. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, Printausgabe, 7.1.2010)