Das Desaster der Schweinebucht mitverursacht, den Zusammenbruch der Sowjetunion verschlafen, von Doppelagenten durch und durch infiltriert - die Vorwürfe bezüglich eines Versagens der US-Nachrichtendienste sind so alt wie diese selbst. Insider beschreiben die Geheimorganisationen, ob sie nun draußen vor den Toren Washingtons in Virginia sitzen wie die CIA oder direkt an der Pennsylvania Avenue wie das FBI, als in etwa so rege wie einen verschnarchten Versicherungskonzern: Hundertschaften von Anzugträgern tun in trostlosen Bürokomplexen Dienst, sammeln irgendwelche Informationen, legen sie ab - und wissen nicht, was weiter damit passiert.

Das war die gängige Praxis vor 9/11. Und das scheint nach der großen Reform der US-Dienste 2004 auch heute noch so zu sein. Wie ließe sich das "desaströse Versagen" , wie es US-Präsident Barack Obama schwer verärgert nennt, denn sonst erklären?

Vielleicht, das könnte eine weitere Antwort sein, ist die Pleite auch schierer Überforderung und einer allgemeinen Übererwartung in den gewaltigen US-Sicherheitsapparat geschuldet.

Trotz der hunderttausenden Beschäftigten und der insgesamt weit mehr als 100 Milliarden Dollar Budgets der amerikanischen Sicherheitsbehörden drang der Vater jenes nigerianischen "Unterhosenbombers" von Detroit nicht durch, der eigenständig vor der Militanz seines Sohnes warnte. Die Kommunikation der Amerikaner mit den Briten blieb in Aktennotizen hängen. Die Flughafensicherheit versagte. Und schon waren hunderte Menschen in Todesgefahr. Keiner der Sensoren schlug an.

8000 Hinweise gehen täglich im US-Terrorwarnzentrum ein. Dazu liefern die insgesamt 16 amerikanischen Dienste umfangreiches Material: aufgefangene Kommunikationssignale, Satellitenüberwachungsbilder, gefinkelte Analysen der Datenbestände und die als hoch effizient beschworene "Human Intelligence" , die durch Spione oder bei Verhören beschafft wird. Anders gesagt: Täglich schießen so viele Bäume in die Höhe, dass an den Hochständen der Terrorjäger der Wald nicht mehr erkannt wird.

Dazu kommt die Erkenntnis, dass die Dienste technisch wie im menschlichen Bereich limitierter sind, als viele wahrhaben wollen. Die CIA etwa hat trotz Guantánamo, weltweit verstreuter Geheimgefängnisse und eingeschleuster Spitzel, wie jener, der eben in Afghanistan buchstäblich als Doppelagent hochgegangen ist, weniger Erkenntnise über die islamistische Terrorszene, als gemeinhin angenommen wird. Der Schutzwall dagegen ist dementsprechend durchlässig.

Dass ein US-Präsident dies nun öffentlich so deutlich sagt, ist erstaunlich und wahrscheinlich sogar einigermaßen beunruhigend. Denn in ihren abgelegenen Schlupfwinkeln werden sich potenzielle Attentäter dadurch wohl angespornt fühlen.

Andererseits kann dies auch der Zeitpunkt sein, nicht nur die Defizite der Dienste zu überdenken, sondern auch die generelle Strategie. Keine Frage, es ist dringend geboten, die Lücken in den Kommunikationsketten zu schließen. Aber vielleicht lässt sich auch ein Bruchteil des Budgets für den US-Sicherheitskomplex dafür aufbringen, dort, wo es nottut - in den Köpfen afghanischer, pakistanischer, jemenitischer, somalischer Kids -, in so etwas wie Prävention zu investieren. (Christoph Prantner, DER STANDARD, Printausgabe, 7.1.2010)