Ólafur Ragnar Grímsson befindet sich in seiner vierten Amtszeit als Präsident jener Insel am Rande Europas, die durch den Zusammenbruch ihres gesamten Finanzwesens weltweit für Aufsehen gesorgt hat. Zweimal wurde er mangels Gegenkandidaten ohne Volkswahl vom Parlament durchgewunken. Nun verhindert er ein Gesetz der rot-grünen Regierung, mit dem ausländische Kunden der zusammengebrochenen Bank Icesave entschädigt werden sollten.
Es geht um 3,8 Milliarden Euro, die Sparer der Online-Tochter der großen isländischen und nunmehr insolventen Bank Landsbanki anvertraut haben. Der 66-jährige ehemalige Linkspolitiker holt sich damit überraschend aus der politischen Versenkung. Über die Motive für sein Agieren wird nun eifrig gemutmaßt. Grímsson traf seine Entscheidung offenbar, ohne die Politik vorzuwarnen. Und er desavouierte damit vor allem Regierungschefin Jóhanna Sigurdardóttir und Finanzminister Steíngrimur J. Sígfusson. Beide tun sich schwer, den rund 317.000 Isländern die gewaltige Schuldenbelastung plausibel zu machen, die noch über Jahrzehnte zu spüren sein wird.
Erst rechtsliberal, dann links
Grímsson hat trotz seines gediegenen Äußeren eine bunte politische und persönliche Vergangenheit. Der im englischen Manchester ausgebildete Volkswirt und Politologe war zuerst Rechtsliberaler. Später wechselte er zur linken Volksallianz, deren Vorsitzender er wurde. Seit 1996 ist er Islands Staatspräsident.
Grímsson ist seit 2003 in zweiter Ehe mit der britisch-israelischen Jetset-Lady Dorrit Moussaieff verheiratet. Ein Naheverhältnis wird ihm auch zu jenen Finanzjongleuren nachgesagt, die nach Meinung vieler Experten den Zusammenbruch der isländischen Banken und damit die Wirtschaftskrise im ganzen Land zu verantworten haben. Dazu zählen unter anderem die beiden Ex-Landsbanki-Chefs Halldór J. Kristjánsson und Björgólfur Gudmundsson.
Erstes Veto 2004
Für Aufsehen sorgte Grímsson bereits früher. Etwa als er 2004 mit dem ersten Präsidentenveto in der isländischen Geschichte ein Mediengesetz zu Fall brachte, das den Einfluss von Wirtschaftsinteressen auf Zeitungen und elektronische Medien des Landes beschränken sollte.
Das Veto half damals einem weiteren immer wieder ins Zwielicht geratenen Geschäftsmann: Jón Ásgeir Jóhannesson - dem früheren Geschäftsführer des Pleitekonzerns Baugur. (Andreas Stangl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.1.2010)