Begeistert und beunruhigt

Nein, ich beschwere mich nicht über Brusattis Artikel. Im Gegenteil: Ich finde ihn brillant geschrieben und alles, was er schreibt, ist ja wahr, belegbar und auch wert, sich damit auseinanderzusetzen. Spannend in jedem Fall. Und wer jemals das Vergnügen hatte, mit Otto Brusatti zusammenzuarbeiten, weiß auch um seine fachlichen und menschlichen Qualitäten.

Was mich hingegen befremdet, sind die Reaktionen im Internet (Postings) zu diesem Artikel:

Da schaukelt sich eine Meute mit unqualifizierten Meldungen hoch, die absolut nichts mehr mit der Sache zu tun haben. Da kommt blanker Hass zum Vorschein. Beunruhigt und beklommen fragt man sich angesichts dieser Attacken: Was passiert, wenn es wirklich um essenzielle Dinge geht? (Sabine Pleyel, per Internet)

Einer für alles?

Um im Neujahrskonzert 2011 die gemäß "political correctness" richtige Stückauswahl und kompetente Interpretation sicherzustellen, schlage ich vor, Otto Brusatti mit eben dieser (nämlich der Stückauswahl) und jener (der Interpretation) zu betrauen. Um die durchgängige Qualität der Konzertübertragung zu gewährleisten, wäre es ferner vorteilhaft, Herrn Brusatti auch die Verantwortung für Kostüme und Choreografie des Balletts sowie die Auswahl des Ortes für die Balletteinlagen zu übertragen. (Edwin Rant, 8071 Wagersbach)

Unsinn als Inspirationsquelle

Was wollte Dr. Brusatti erreichen? Demütigung eines großen Dirigenten? Reformierung des Neujahrskonzerts? Bannflüche über "Star-Opern"?

Zur Entstehung des Donauwalzers mit seinem ursprünglichen schwachsinnigen Text ist anzumerken: Wenn Strauß sich daran gehalten hat, zu einem vorgegebenen Text Musik zu schreiben (wie man einen bereits abgefassten Text eben vertont), verdanken wir diese herrliche Musik dann - paradoxerweise - einem schwachsinnigen Gedicht! (Sollte diese Musik als solche deswegen aber verboten werden?) Unsinn als Inspirationsquelle! Andere bösartige Texte (wie später zum Donauwalzer - sicher nicht von Strauß autorisiert! - und dem Walzer Klug Gretelein und Wein, Weib und Gesang) zeugen für den sehr unfeinen Geschmack eines unaufgeklärten Ballpublikums im Wien des 19. Jahrhunderts - und verdienen tatsächlich Missachtung, weswegen sie vielleicht (und leider beinahe) in Vergessenheit gerieten.

Was Mozarts Entführung jedenfalls nicht verdient hätte: Der am Schluss dann doch erkennende Bassa Selim ist Vorbild späterer Bühnenfiguren Mozarts, die so irreal nicht waren ... (Dr. Elmo Cosentini, 1010 Wien)

Prima la musica ...

Was die "bösen" Texte betrifft: Danke für die Information. Ich zähle mich zwar einerseits zu den Musikkennern und andererseits zu den gebildeten Menschen, aber das habe ich alles nicht gewusst. Man sollte es allgemein bekanntmachen. Wegen dieser textlichen Entgleisungen die herrliche, unsterbliche, geniale Musik nicht mehr zu spielen, wäre allerdings unverzeihlich. Ich bin sicher, ich kann Wein, Weib und Gesang etc. auch weiterhin genießen. Prima la musica, poi le parole. (Mag. Jolanthe Soyka, 8041 Graz)

Belege wofür?

Was belegen diese längst vergessenen Texte heute? Erstens die Binsenweisheit, dass Literatur zeitgebundener ist als Musik. Dann, dass die Verfasser, im Gegensatz zu den Komponisten, höchst mittelmäßige Versschmiede waren. Zuletzt, dass viele heute zu Recht verpönte Einstellungen Ende des 19. Jahrhunderts ungestraft geäußert werden durften.

Was belegen diese Texte mit Sicherheit nicht? Dass jemand, der diese Musik heute aufs Programm setzt und spielt, damit zugleich die Aussagen dieser Texte unterstützt und für richtig hält. Genau das aber unterstellt Herr Brusatti. (Dr. Friedrich Birkhan, 1230 Wien)

Noch viel aufzudecken

Herr Brusatti findet also, dass zukünftig Stücke wie Mozarts Entführung aus dem Serail aus Gründen "politischer Correctness" und Ehrfurcht einer anderen Religion gegenüber nicht mehr gespielt werden sollen, da dort in einem Saufduett Allah unterstellt wird, nicht zu bemerken, dass einer seiner Gläubigen betrunken sei ... nun denn, wie wäre es, wir gründen eine schwarze Liste mit musikalischen Werken, die aus vielerlei Gründen nicht gespielt werden dürfen: Hänsel und Gretel von Humperdinck (versuchter Kannibalismus und vollzogener Rachemord), Peter und der Wolf (die arme Ente!) - diese Liste ließe sich endlos fortsetzen (wie sieht's da etwa mit den Schauspiel-Klassikern aus?)

Ich werde am 9. Jänner ein "Neujahrskonzert" in meinem Heimatort leiten, zur Aufführung kommen: der Chineser-Galopp von Johann Strauß Vater, der Persische und Ägyptische Marsch seines Sohnes, sogar der vielzitierte Donauwalzer ... dann noch der Säbeltanz, wie grausam ... ich bitte Herrn Brusatti mir Informationen über die obgenannten Stücke bzgl. textlicher Verfehlungen zu geben, damit ich diese Stücke bei nicht "politisch korrekten" Texten sofort aus dem Programm entfernen kann ... (Peter Aigner, 4502 St. Marien)

In die eigene Falle getappt

Otto Brusatti mag mit allem recht haben, was er zum Inhalt der Stücke des Neujahrskonzerts schreibt. Allerdings bedient er am Schluss doch nur selbst anti-islamische Klischees, indem er vor Terroranschlägen durch "Orientalen" warnt, die trotz des nötigen Spezialwissens über ursprüngliche Texte keinerlei Verständnis für den damaligen Kontext aufbringen. Ich fürchte mich schon! (Mag. Norbert Schöbel, 1040 Wien)