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Frankfurt - Mit dem Karten-Debakel seit dem Jahreswechsel bringen die Banken zunehmend Verbraucher und Handel gegen sich auf. Erste Schadenersatzforderungen wurden am Mittwoch laut. Zugleich wächst die Kritik am Krisenmanagement der Institute, nachdem das Problem beim Bezahlen in Geschäften und Tankstellen nach fast einer Woche noch immer nicht gelöst ist. Seit Mittwoch akzeptieren nach Branchenangaben wenigstens alle Geldautomaten wieder alle Bankkarten.

Banken und Kartenhersteller suchen fieberhaft nach Wegen, um einen teuren Massenaustausch der rund 30 Millionen fehlerhaften Giro- und Kreditkarten in Deutschland zu vermeiden. Die bisherige Lösung ist nur ein Notbehelf. Müssten alle betroffenen Karten ausgetauscht werden, könnte dies bis zu 300 Millionen Euro kosten. Branchenkenner veranschlagen fünf bis zehn Euro je Karte für Rückruf und Austausch. Die Verantwortung für die Panne hat der französische Plastikkartenhersteller Gemalto übernommen. Ein Sprecher des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), des Dachverbands der Bankenverbände, schloss eine Umtauschaktion nicht aus: "Ob wir ganz ohne einen Austausch auskommen, ist noch unklar." Womöglich könne der Kartenfehler über den Geldautomaten automatisch behoben werden.

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner drängte, die Kartenpanne müsse schneller behoben werden, als dies bisher den Anschein habe. Bankkunden dürften keine Mehrkosten entstehen, wenn sie Geld am Schalter statt am Automaten abheben, sagte sie am Rande der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Der ZKA-Sprecher wies zwar Kritik am Umgang mit der Panne zurück, stellte aber Kulanzlösungen in Aussicht: "Niemand in der Kreditwirtschaft hat ein Interesse, die Kunden zu belasten."

Verbraucherschützer äußerten sich empört. "Das größte Problem ist die verheerende Aufklärungsarbeit, die die Institute betreiben", sagte Manfred Westphal, Leiter des Fachbereichs Finanzdienstleistungen beim Verbraucherzentrale Bundesverband. "Kein Verbraucher weiß, was wirklich das Problem mit den Karten ist." Das Vertrauen in Bezahlkarten sei dadurch in Gefahr. Es sei bereits mit dem Kreditkartenbetrug in Spanien im Herbst erschüttert worden, nach dem Banken Hunderttausende Kreditkarten ausgetauscht hatten.

Die fehlerhaften Karten stammen von Gemalto, der Nummer eins bei Chipkarten für Mobiltelefone und Kreditkarten. Gemalto-Chef Olivier Piou gab sich zuversichtlich, einen Austausch vermeiden zu können. "Wir sind darauf bedacht, die Unannehmlichkeiten für die Kartenbesitzer möglichst klein zu halten", betonte er. Karten in anderen Ländern seien nicht betroffen. Gemalto-Aktien gaben in Paris um mehr als drei Prozent nach.

 

Lastschrift feiert fröhliche Urständ

Geldinstitute, Betreiber der Terminals für Kartenzahlungen, aber auch der Einzelhandel prüfen Regressforderungen. "Wir haben verärgerte Kunden und verloren gegangene Einnahmen, wofür wir schlicht nichts können", sagte der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes HDE, Stefan Genth. Nicht jeder Kunde habe genügend Bargeld in der Tasche, einige ließen die Ware im Laden. Einige Händler umgehen nun das Problem durch das elektronische Lastschriftverfahren, bei dem nur die Kontodaten von der Karte gelesen werden und der Kunde unterschreibt. Das Risiko liegt hier aber beim Händler. Der ZKA warnte davor, den Fehler durch das Überkleben des Chip mit Klebeband beheben zu wollen. Dies könne Karte und Lesegerät beschädigen.

"Wir behalten uns Schadenersatzforderungen vor", sagte ein Sprecher von Telecash, einem der drei Kartenzahlungsabwickler in Deutschland. Das zum US-Konzern FirstData gehörende Unternehmen teilte mit, alle seine 215.000 Terminals funktionierten wieder mit allen Karten. Seit Samstag hätten Techniker an der Software gearbeitet. Die Rivalen Easycash und B+S Card Services waren zunächst nicht erreichbar.

Ursache der Panne ist nach ZKA-Angaben ein Softwarefehler in den Gemalto-Karten, der sich zum Jahreswechsel gezeigt hat. An einem Fünftel der rund eine Million Zahlstationen an Tankstellen und Supermarktkassen kann es noch bis Anfang nächster Woche zu Problemen kommen. Der Fehler betrifft nur die neue Generation von Karten, bei denen die Lesegeräte die Sicherheitsinformation am aufgedruckten Chip und nicht am Magnetstreifen abgreifen. Das System soll nach dem Willen der Bankenverbände bis 2011 flächendeckend eingeführt sein. "Es wird keinen Weg zurück zum Magnetstreifen geben", sagte ein ZKA-Sprecher. Mit dem Notbehelf tasten die Kassen vorerst wieder den schwarzen Streifen auf der Rückseite der Karten ab.

Für den Einsatz im Ausland und für Kreditkarten gibt es keine Lösung. Zumindest die betroffenen 3,5 Millionen Kreditkarten von Sparkassenkunden müssten ausgetauscht werden, vermuten Branchenexperten. Bei den meisten anderen Instituten sind nur die Girokarten (EC-Karten) betroffen. (Reuters)