Wien - Vor den Scherben seiner bürgerlichen Existenz hat sich am Donnerstag ein praktischer Arzt im Wiener Straflandesgericht wieder gefunden. Der eigenen Angaben zufolge seit sieben Jahren suchtgiftabhängige Mediziner hatte auch Patienten Kokain und Drogenersatzpräparate gratis abgegeben.

Als ihm der Stoff ausging, beteiligte er sich an einer Schmuggel-Fahrt in die Dominikanische Republik, indem er über einen Mittelsmann dem "Reisenden" 1.300 Euro zukommen ließ. Dieser wurde allerdings bei seiner Rückkehr am Flughafen Frankfurt am Main mit 1,4 Kilogramm Kokain im Gepäck geschnappt. In weiterer Folge klickten auch für den Wiener Mediziner die Handschellen. Er hätte von der Ware 42,5 Gramm bekommen sollen. Der Arzt wurde in seiner Praxis festgenommen, die Ärztekammer sperrte ihn umgehend.

Koks um mit Stress fertig zu werden

2003 habe er begonnen, Kokain und Cannabis zu konsumieren, erzählte der Wiener Arzt im Straflandesgericht: "Um meine Einsatzfähigkeit zu steigern und um mit meiner Arbeit, meinen Patienten und den Schwierigkeiten mit der Gebietskrankenkasse fertig zu werden. Ich habe die innere Power nicht mehr gehabt, um damit ohne diese Krücke fertig zu werden."
Mit der Zeit lernte er unter seinen Patienten Süchtige kennen, denen er ab und an unentgeltlich etwas überließ. "Er hat dafür nie auch nur einen Euro bekommen. Wer etwas hatte, hat es halt dem anderen gegeben", betonte Verteidiger Philipp Winkler.

Kein finanzielles Motiv

Finanzielle Motive gab es angeblich keine. Der Mediziner hat Häuser in Florida und Brasilien, wo er jährlich mehrere Wochen Urlaub machte.

Patient aus dem Drogenersatzprogramm

Der koksende Arzt behandelte auch Patienten, die im Drogenersatz-Programm waren. Unter ihnen befand sich der Sohn eines Kollegen, der sich den eigenen Vater nicht um Tabletten zu bitten traute. Einen anderen Patienten, der vom Kokain loskommen wollte, nahm der Angeklagte mit in die eigene Wohnung, wo er diesem und dessen Begleiterin Koks überließ.

"Hören Sie, Sie zerstören damit ja ihre eigene medizinische Behandlung! Der will vom Suchtgift weg und sie geben es ihm!", schüttelte der Staatsanwalt den Kopf. "Sie haben recht", antwortete der Arzt, "das war vom medizinischen Standpunkt nicht vertretbar. Aber vom Menschlichen. Ich habe ihm die Beschaffungskriminalität erspart. Er ist in ganz Wien herumgelaufen, um an gutes Kokain zu kommen. Es ist ihm sehr schlecht gegangen. Und ich hab's gehabt."

Die Verhandlung wurde zur ergänzenden Beweisaufnahme auf Februar vertagt. (APA)