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Jürgen Säumel durchlebt in Turin turbulente Zeiten.

Foto: APA/ Jaeger

Turin/Wien - Jürgen Säumel lehnt es strikt ab, wehmütig zu sein. Natürlich wird der 25-Jährige Sturm Graz "immer im Herzen tragen" , dort ist er aufgewachsen und sogar groß geworden. Jedenfalls groß genug für den FC Torino. Die Italiener haben im Juli 2008 den Mittelfeldspieler, der eine äußerst solide EURO abgeliefert hatte, verpflichtet. Für drei Jahre. Der Steirerbua, der im kärntnerischen Friesach geboren wurde, war also dort, "wo ich hinwollte" . Im Ausland. In der Serie A.

Säumel hat sich ganz gut zurechtgefunden, bekam regelmäßige Einsätze, schoss zwei Tore, durfte Dinge erleben, "die mich dankbar gemacht haben" . Zum Beispiel ein Spiel in San Siro gegen den AC Milan, Zweikämpfe mit Kaká oder Andrea Pirlo. "Ich habe manche gewonnen. Das ist immerhin ein Vergleich mit den Weltbesten gewesen." Stammspieler bei Sturm zu sein und auf ewig zu bleiben "konnte nicht die Erfüllung des Lebens sein" .

Abstieg

Die Welt des Jürgen Säumel ist allerdings ein bisserl durcheinandergeraten. Der FC Torino ist dummerweise 2009 abgestiegen ("Ein Super-GAU gleich in deiner ersten Saison" ), das Leben in der Serie B ist härter als befürchtet. Der Traditionsverein rangiert im Mittelfeld. "Der Wiederaufstieg muss aber das Ziel bleiben." Statt nach Mailand oder Rom führen die Wege nun nach Mantova oder Gallipoli, zu den Heimspielen kommen 15.000 Menschen. Die Mannschaft wird beim Einlaufen ausgebuht, es geht überhaupt turbulent zu. In einem Lokal wurden Teamkollegen attackiert, das Vereinsgelände wurde von Rowdys gestürmt. Tränengas musste eingesetzt werden. Die Spieler drohen, das Auswärtsspiel am Samstag gegen Cittadella zu bestreiken. Säumel: "Das ist traurig und erschreckend."

Seit ein paar Tagen wird über die Involvierung in den Wettskandal spekuliert, die 1:2-Heimniederlage am 28. November des Vorjahres soll geschoben worden sein. Säumel schließt das aus. "Zu hundert Prozent."

Konkurrenzkampf

Italien ist trotzdem super. "Eine andere Welt. Fußball ist die absolute Nummer eins. Der Druck von außen und von innen ist gewaltig. Jeder stellt den Anspruch zu spielen, der interne Konkurrenzkampf ist enorm. Hast du nur ein Wehwehchen, sitzt du auf der Tribüne." Säumel hatte nicht nur ein Wehwehchen, es war viel mehr, ein richtiges Wehweh. Eine hartnäckige Knieverletzung, die Patellasehne war lädiert. Die Therapie griff nicht, eine Operation musste Abhilfe schaffen. "Der Weg zurück war und ist immer noch steinig." Italien ist trotzdem super.

Es ist nicht so, dass in Österreich weniger trainiert wird, "aber die mentale Belastung ist viel geringer. Man ist irgendwie immer auf der sicheren Seite." Der Kick in Italien sei zudem weitaus komplizierter. "Von der Taktik her. Die Mannschaft geht über alles, der Einzelne zählt nichts." Es sei Pflicht, die Sprache - in Säumels Fall logischerweise die italienische - rasch zu lernen. "Die Anweisungen der Trainer wären auch auf Deutsch kompliziert."

Mit den anderen Legionären, etwa mit Erwin Hoffer oder Marko Arnautovic, pflege er keinen Kontakt. Dass Hoffer in Neapel nicht zum Zug kommt und Arnautovic von Inter wohl wieder weggeschickt wird, hat er mitbekommen. Kluge Tipps verbietet sich Säumel, er rät aber schon zur Geduld. "Es ist in Italien normal, auf der Bank zu sitzen. Man muss damit fertigwerden und Tag für Tag die eigenen Grenzen überschreiten. Natürlich wäre es für einen Hoffer unvorstellbar gewesen, bei Rapid nicht zu spielen. Die Umstellung muss er verkraften. Es kann alles schnell gehen, in beide Richtungen." Stimmt die Richtung, ist Italien super.

Säumel empfiehlt österreichischen Talenten, etwa Daniel Beichler und Jakob Jantscher von Sturm, ins Ausland zu wechseln. Beichler soll sich allerdings mit dem Inland, mit Red Bull Salzburg, einig sein. "Mich geht es nichts an. Aber es ist für die persönliche Entwicklung egal, mit welchem Verein du gegen Kapfenberg spielst. Bei allem Respekt." Säumel entschied sich 2008 gegen den Stillstand. "Ich bin in Italien als Mensch und als Fußballer besser geworden."

Nationalteam

In Österreich, sagt er, sei er fast vergessen. Dietmar Constantini hatte bei seiner Premiere Ende März 2009 Säumel noch einberufen, den Einsatz gegen Rumänien (2:1) hat die gezerrte Wade verhindert. Seither hat Säumel vom ÖFB nichts mehr gehört, das lag am Knie, an der Patellasehne, an der Serie B und vielleicht an Dingen, "die ich nicht beurteilen kann. Natürlich will ich zurück ins Team. Gegen wen spielt Österreich als Nächstes? Aha, Dänemark und Kroatien, sehr interessant." Und Italien ist super. "Trotzdem." (Christian Hackl, DER STANDARD Printausgabe 09.01.2010)