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Der Verfassungsgerichtshof soll bei den U-Ausschüssen eingreifen, wenn die Untersuchungen im Parteien-Hickhack unterzugehen drohen.

AP Photo/Thomas Kienzle

Der U-Ausschuss ist im Dezember von SPÖ und ÖVP nach monatelangen Streitereien zwischen Regierungs- und Oppositionspolitikern abgedreht worden – nicht zur Begeisterung von FPÖ, Grünen und BZÖ. Jetzt stellen das Parlament und die Parteien Überlegungen an, was an den U-Ausschüssen verbessert werden kann, damit die parlamentarischen Untersuchungen künftig besser laufen. Das Modell der U-Ausschüsse aus Deutschland wird von SPÖ und Grünen zum Vorbild genommen. Dort sind die Minderheitenrechte ausgeprägter: Ausschüsse können auch einberufen werden, wenn keine Zweidrittelmehrheit dafür stimmt. Außerdem gibt es sogenannte Ermittlungsbeauftragte zur Unterstützung der Parlamentarier, die Akten und erforderliche Beweismittel beschaffen und sichten.

VfGH als Schlichtstelle

Was es in Deutschland auch gibt, ist ein sogenanntes Organstreitverfahren: Um eine verfassungswidrige Vorgehensweise zu verhindern, können sich die Parteien während des U-Ausschusses an den Verfassungsgerichtshof wenden, der gewissermaßen eine Schlichtungsfunktion einnimmt. Er entscheidet über die Auslegung der Gesetze aus Anlass von Streitigkeiten.

In Österreich fehlt eine vergleichbare Bestimmung, sie müsste erst im Verfassungsrang geregelt werden. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger, ist der überlegten Schiedsgerichtsfunktion jedenfalls nicht abgeneigt. Entscheidungen in sogenannten Organstreitverfahren zu treffen, wäre "eine sinnvolle Fortentwicklung der verfassungsrechtlichen Kernkompetenzen", sagte er am Donnerstag anlässlich der Angelobung von zwei neuen Verfassungsrichtern.

"Exorbitante Belastung"

"Wie das Beispiel des deutschen Bundesverfassungsgerichts zeigt, sind Verfassungsgerichte geradezu prädestiniert, Streitigkeiten dieser Art zu entscheiden, sofern es sich um grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen handelt", so Holzinger. Gleichzeitig warnt der Präsident aber wegen des dann auf den VfGH zukommenden zusätzlichen Arbeitsaufwandes: Zusätzliche Belastung sei nicht mehr verkraftbar, "wenn nicht gleichzeitig wirksame Schritte unternommen werden, um ihn von der exorbitanten Belastung mit Asylsachen zumindest mittelfristig wieder zu befreien."

Beschwerden der Auskunftspersonen

Auch seitens der ÖVP ist man für eine solche Schlichtstelle. Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen des ÖVP-Klubs kann sich die Einführung eines Ordnungstreitverfahrens sehr gut vorstellen, sagt er zu derStandard.at. Er tritt außerdem für eine Stärkung der Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen ein. Der Verfahrensanwalt im jüngsten U-Ausschuss habe gemeint, dass Auskunftspersonen häufig wie Schuldige behandelt werden. Um das zu verhindern sollen auch sie nach Meinung Zögernitz die Möglichkeit haben, sich an eine objektive Stelle zu wenden, um Beschwerden einzubringen. Gut vorstellbar wäre für Zögernitz, dass auch diese Schiedsstelle im VfGH angesiedelt wird.

"Parteipolitik nicht auf Rücken der Auskunftsperson"

Die geringen Rechte der Auskunftspersonen kritisierte auch Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Rechtsanwaltskammertages, vor wenigen Wochen im derStandard.at-Interview und im Wahrnehmungsbericht des Rechtsanwaltskammertages. Die Auskunftspersonen hätten keinen hinreichenden Persönlichkeits- und Grundrechtsschutz. Es bedürfe daher "dringend entsprechender Regelungen, um sicherzustellen, dass in einem rechtsstaatlichen Verfahren, das sich essentiell von einer meinungsbildenden Parlamentsdebatte zu unterscheiden hat, parteipolitisch begründete Gegensätze nicht auf dem Rücken einer Auskunftsperson ausgetragen werden können." (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 7.1.2010)